Mit 32,57 Millionen Dollar bewilligte eine Sammlerin aus Hongkong für diese Qianlong-Vase im Oktober 2010 mehr als das Fünffache der Erwartungen. Nur, bezahlt soll diese bis heute nicht sein.

Foto: Sotheby's

Die eine Bubble hat der internationale Kunstmark gerade noch überstanden, da steht die nächste schon vor der Tür. Im Reich der Mitte wird daran emsig und in charakteristisch monumentaler Manier gebastelt. Konkret in China, wo sich einige Spielernaturen mit Anteilscheinen für Kunstwerke bereits ein goldenes Näschen verdienten, wie das österreichische Online-Kunstportal artmagazine.cc Anfang dieser Woche berichtete.

Der Schauplatz liegt in Tianjin, eine südöstlich von Peking gelegene Hafenstadt, wo mit der Tianjin Cultural Artwork Exchange (TCAE) eine Kunstbörse aus der Taufe gehoben wurde. Das erklärte Ziel: Kulturindustrie und Finanzmarkt mit diesem Modell zusammenzuführen und potenzielle Synergien zu beleben. Zum Auftakt knöpfte man sich zwei Werke von Bai Gengyan vor, einem 2007 verstorbenen traditionellen Landschaftsmaler. Für eine Arbeit desselben hatte ein chinesisches Auktionshaus erst im Dezember 2010 ein "historisches Auktionsergebnis" vermeldet.

Ein gelber Fluss, der brüllt

Eine leichte Übung, berücksichtigt man, dass in den internationalen Kunstpreisdatenbanken (seit 2006) überhaupt nur 15 Verkäufe des Künstlers gelistet sind, in einer Preisklasse von umgerechnet 1800 bis 18.000 Euro. Bis zum Dezember, als ein Landschaftsaquarell bei Poly International (Beijing) plötzlich mehr als 400.000 Euro brachte. Ein Schelm, wer Böses denkt und in den findigen Kunstbörsianern womöglich den Käufer vermuten würde. Jedenfalls gab man ab Jänner etwa für Der brüllende Gelbe Fluss Anteilsscheine aus, deren Wert sich bis Mitte März um das Achtzehnfache erhöhte, bis die Aufsicht den Handel laut artmagazine.cc wegen exzessiver Spekulation für fünf Tage stoppte. Anfang April war der Wert des Bildes allerdings wieder gestiegen, auf umgerechnet 7,75 Millionen Euro. Absurd.

Aber wer will derlei schon hinterfragen, passt es doch perfekt in das Schema jener Fachleute, die nicht müde werden, China als den prosperierendsten Markt zu bezeichnen, den die Geschichte des Kunstmarkts jemals hervorbrachte. Der sagenumwobenen Kaufkraft sei Dank: "China verdrängt Großbritannien vom zweiten Platz", titelt etwa die aktuell vorliegende und von den Machern der Tefaf-Messe jährlich beauftragte Studie (The Global Art Market in 2010: Crisis and Recovery). Autorin ist Clare McAndrews, deren Unternehmen "Arteconomics" Daten sammelt und auswertet. Ihre Hauptquelle sei "Artprice", wie sie dem Standard 2010 bestätigte. Von dort würden entsprechende Umsatzdaten der Auktionshäusern bezogen, die das allerdings dementieren.

Im Falle von China, versicherte McAndrews, kämen die Daten vom zuständigen Handelsministerium, aktuell ergänzt um Daten von den Kunstpreisdatenbanken "Artnet" und "Artron". Und auf Basis dieser hätte sich der Kunstmarkt in China seit 2009 wertmäßig fast verdoppelt, hielte einen weltweiten Marktanteil von 23 Prozent. Am 11. April legte Thierry Ehrmann noch ein Scherflein nach. Der Kopf hinter "Artprice" kürte China nicht nur zum "unbestrittenen Sieger des Jahrzehnts", der vom neunten (2000) auf den ersten (!) Platz vorrückte, mit einem weltweiten Umsatzanteil von 33 Prozent (USA 29,9 Prozent, UK 19,4). Dazu schicke sich Peking (2,3 Mrd. Dollar) an, demnächst New York (2,7 Mrd. Dollar) als umsatzstärkste Metropole vom Thron zu stoßen.

Nur ein Aspekt wird in solchen Studien, deren Zahlenspiele nur bedingt nachvollziehbar bleiben, niemals thematisiert: Werden die so beherzt von chinesischen Bietern bewilligten Millionen-Dollar-Beträge auch bezahlt? Nicht immer, und ja, die Zahlungsmoral ostasiatischer Bieter lässt zu wünschen übrig.

Einzementierte Rekorde

Schon legendär ist der Fall zweier Brunnenfiguren aus der Sammlung Yves Saint Laurent und Pierre Bergé 2009. Wenige Stunden nach dem Zuschlag bei Christie's (Paris) ließ Cai Mingchao, Sammler und selbst Betreiber eines Auktionshauses in China, via Pressekonferenz ausrichten, dass er nicht daran denke, den Betrag von 31,49 Millionen Euro zu bezahlen. Das Ganze sei eine politisch geleitete Protestaktion gewesen, und überdies hätte er gar nicht so viel Geld. Der Kauf soll zwischenzeitlich rückabgewickelt und die Figuren an Pierre Bergé retourniert worden sein. Selbstredend wurde der 2009 in Paris verzeichnete Rekordumsatz von Christie's nie aktualisiert.

Zu den aktuelleren Fällen gehört ein nicht minder stattlicher: 32,57 Millionen Dollar bewilligte Alice Cheng im Oktober 2010 bei Sotheb'ys (Hongkong) für eine Qianlong-Porzellanvase. Laut einem Bericht im deutschen Handelsblatt Ende vergangener Woche hätte die Sammlerin aus Hongkong diesen Betrag (noch) nicht gezahlt. Auf Anfrage möchte das Auktionshaus diesen Fall nicht kommentieren, auch nicht, ob eine Ratenvereinbarung getroffen wurde, und verweist stattdessen auf die Bilanz. Exakt, dort (wie bei Christie's 2009 auch) ist dieses Rekordergebnis hübsch einzementiert. Einerlei, ob die Millionen gezahlt wurden oder man rein theoretisch nur eine Option darauf genießt. Dass die Objekte derweilen in den Lagern der Auktionshäuser auf eine Einigung oder einen neuen Auktionstermin warten, ist da nur ein schwacher Trost.

Nicht einklagbar

Dem Vernehmen nach handelt es sich längst nicht mehr um Einzelfälle. Sotheby's reagierte jüngst mit Maßnahmen, die weit über die klassische Bonitätsprüfung hinaus gehen: Laut Handelsblatt verlangte man bei den Auktionen in Hongkong (April) von Bietern, die sich für die Toplots der "Meyintang"-Sammlung angemeldet hatten, eine Million Dollar Kaution. Jene, die diesen Betrag nicht deponierten, durften nicht bieten.

Dazu kommen rechtliche Probleme, wie Ernst Ploil, Teilhaber von "im Kinsky"-Auktionen, aus Erfahrung weiß: Solche Fälle müssten am Gerichtsstand des Auktionshauses eingeklagt werden. Das erwirkte nationale Urteil wäre allerdings weder in den USA noch im asiatischen Raum vollstreckbar. Schlicht deshalb, weil es für diese Nationen kein Rechtsabkommen über die wechselseitige Anerkennung ausländischer Urteile gibt. Ja, "im Kinsky" beschäftigt ein solcher Fall seit etwa drei Jahren: Gegenstand ist das Werk eines italienischen Künstlers. Kurz nach der Auktion hatte sich der Käufer anders entschieden, das Bild hatte dieser zwar nie in natura gesehen, aber an der Echtheit plötzlich heftige Zweifel. (Olga Kronsteiner, DER STANDARD/Printausgabe 23./24./25.4.2011)