Man hat sich einen Prügelknaben geschaffen, der das nicht verdient hat. Mathias Bauer appelliert an die neue Finanzministerin: "Das Wording der Politik zum Kapitalmarkt möge sich ändern."

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Die Wertpapier-KESt kommt zu schnell, warnt Mathias Bauer, Chef der Raiffeisen KAG. Wie man verlorene Kunden wiedergewinnt und was er sich von der neuen Finanzministerin wünscht, sagt er Bettina Pfluger.

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STANDARD: Die Branche wehrt sich via Verbandsklage gegen den straffen Zeitrahmen in Bezug auf die Einführung der Wertpapier-KESt. Warum nur gegen den Zeitplan und nicht gegen die Steuer per se?

Bauer: Wenn die Steuer politisch gewünscht ist, dann kommt sie. Man kann sich nur gegen den Zeitplan wehren, weil die Steuer zu schnell kommt. Die Einhebung ist mit viel Aufwand verbunden. Dagegen ist das, was rauskommt, gering. Die Banken haben geklagt, weil sie die Hauptbetroffenen sind und die Steuer abrechnen müssen. Wie die Einhebung zu handhaben ist, hat sich offenbar niemand überlegt. Das Wertpapierwesen ist voller Details. Es gibt Ausschüttungen, Kapitalmaßnahmen, Depot-Splits etc. Dafür gibt es noch keine Lösungen, dort beginnen die Probleme. Österreichweit gibt es mehr als eine Million Fondssparpläne, in die monatlich 30, 50, 70 Euro eingezahlt werden. Für jeden von diesen müssen Einstiegskurse, Verkäufe, Ausschüttungen etc. festgehalten werden.

STANDARD: Ist die Steuer auf der Kundenseite schon großes Thema?

Bauer: Nein, und zwar völlig zu Recht. Weil Zinsen und Dividenden bei Fonds schon bisher mit der KESt besteuert wurden. Die Kursgewinne zu einem geringen Teil. Jetzt geht es nur noch um die Kursgewinne, die sukzessive angehoben werden. Man versucht, damit die Spekulanten zu bestrafen. Bestraft werden aber die, die sich von ihrem Mund die 30, 50 oder 70 Euro absparen und damit für die Pension vorsorgen. Die werden erwischt, und für die treten bei den Banken auch die administrativ höchsten Kosten auf. Während die, die bisher kurzfristig in Aktien gezockt haben - heute rein, morgen raus -, bisher 50 Prozent hatten, wenn sie ehrlich versteuert haben. Und die kommen jetzt mit 25 Prozent weg. Das Spekulanten-Argument war vordergründig, und das werfe ich der Politik vor.

STANDARD: Mittelab- und Zuflüsse haben sich zuletzt verstärkt. Ist das ein neuer Trend, dass Anleger ihre Asset-Klasse rascher wechseln?

Bauer: Im Grunde genommen hat es das immer schon gegeben. Durch die Stärke der Kapitalmarktbewegungen in den vergangen Jahren hat auch die Zyklik im Anlegerverhalten und in der Beratung durch die Banken zugenommen. Ende 2010 hatten wir ein hohes Niveau bei Aktien. Aus meiner Sicht sind sie heute noch immer unterbewertet. Subjektiv haben die Anleger aber einiges aufgeholt, und deswegen gehen jetzt viele aus Aktienfonds raus und schichten in breit gestreute Fonds um. Gesteuert wird das auch von den Bankberatern. Die Banken suchen nach wie vor nach Liquidität. Fonds werden nach wie vor in Spareinlagen umgewandelt. Der Kampf der Banken um Liquidität, der mit der Finanzkrise begonnen hat, ist noch nicht zu Ende.

STANDARD: In den vergangenen Jahren haben Anleger in Summe viel Geld aus Fonds abgezogen, worunter die Kapitalanlagegesellschaften natürlich leiden. Wie sieht es mit den Rückflüssen aus? Gewinnt man Kunden, die ob der Krise frustriert sind, wieder zurück?

Bauer: Das ist schwer zu sagen, weil es viele individuelle Situationen gibt. Manche verliert man für immer. Gerade jene, die am Ende der Boomphase eingestiegen sind und nicht die Nerven hatten, die Krise zu durchtauchen. Dann gibt es viele, die einfach nur Beratung und Information brauchen, um drinnen zu bleiben oder aufzustocken. Und es gibt jene, die nach den Zugewinnen jetzt aussteigen.

STANDARD: Wie holt man jene Anleger am besten ins Boot, die jetzt erstmals ans Veranlagen denken?

Bauer: Im Bauch hat jeder von uns die jüngere Vergangenheit. Deswegen braucht es viel Information und Beratung, um den Kopf gewinnen zu lassen. Der Kopf ist der, der nach vorne schaut. Der Bauch verdaut noch die Krise. Wir raten diesen Menschen, in Fondssparpläne zu gehen, weil man dann den Zeitpunkt des Investierens streut. Sind die Kurse hoch, kauft man weniger - sind sie tief, mehr.

STANDARD: Mehr als 20 heimische Fondsanbieter treten im Kampf um den Kunden an. Kommen die ausländischen hinzu. In Summe gibt es mehr als 6000 Fonds im Angebot - wie soll man sich da orientieren?

Bauer: Es gibt sogar mehr Fonds als Direkt-Wertpapiere. In Europa sind es rund 50.000. Meines Erachtens sind die Schlüssel der Berater und das Vertrauen in die Institution, in die man sein Geld anvertraut. Man kann immer nur wiederholen: Hände weg, wenn jemand mit überdurchschnittlich "sicherer" Performance wirbt.

STANDARD: Wo sehen Sie derzeit Chancen für Gewinne?

Bauer: Wir haben unter anderem ein Screening gemacht und geschaut, wo die besten Volkswirtschaften weltweit sind, mit der geringsten Verschuldung, wo die Volkswirtschaften gesund sind, wo es Wachstum gibt. Da sind aus Europa nur ganz wenige dabei - auch die USA fällt weg. Länder wie Mexiko und Brasilien werden da plötzlich interessant. Die haben ihre Hausaufgaben gemacht.

STANDARD: Österreich hat mit Maria Fekter eine neue Finanzministerin. Ihr Wunsch an sie?

Bauer: Da sage ich ganz unverändert das, was ich auch zu Josef Pröll gesagt habe. Wir wünschen uns, dass wir über das Steuerpaket nochmals reden können. Nicht in dem Sinn, das wir uns entziehen wollen, sondern in dem Sinn, dass der gewünschte Effekt erzielt wird, bei einem geringeren Aufwand für die Banken. Bei den Fondsrichtlinien wünsche ich mir eine gute Positionierung für den Finanzplatz, damit wir im Wettbewerb gute Chancen haben. Und das Wording der Politik zum Kapitalmarkt möge sich ändern. Der Kapitalmarkt ist etwas absolut Seriöses. Die meisten agieren verantwortungsvoll. Nur weil einige weniger sauber agieren, kann man nicht eine ganze Branche in Misskredit bringen. Man hat sich einen Prügelknaben geschaffen, der das nicht verdient hat. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.4.2011)