Dass der Staatssekretär für Integration im Innenministerium logieren wird, sorgt für Kritik

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Was sagt Österreich zum frisch geschlüpften Integrations-Staatssekretariat? Wenig Frohlocken ist bei jenen BeobachterInnen aus Wissenschaft, NGO-Szene und Politik, die selbst seit langen Jahren ein solches Amt fordern, zu spüren.

Forscherin: "Raus aus Innenministerium"

„Raus aus dem Innenministerium, rein ins Bundeskanzleramt" sollte das Staatssekretariat, meint die Migrationsforscherin Barbara Herzog-Punzenberger auf derStandard.at-Nachfrage. „Querschnittsmaterien sind in der Politik immer sehr schwierig zu organisieren", glaubt die Wissenschafterin. Ein Staatssekretär allein könne nicht Politik machen, er sei auf die enge Koordination mit den diversen Ministerien - Bildung, Soziales, Wirtschaft, Inneres - angewiesen. „Aber selbst, wenn ich dort Personen habe, die Integrationspolitik für eine gute Sache halten: Wie schaffe ich es, Dinge durchzusetzen, wenn es nicht direkt in den Entscheidungsabläufen der Ministerien verankert ist?" Es brauche Integrations-Beauftragte in allen Ressorts - analog zum Unterrichtsministerium, wo es dafür bereits eine eigene Abteilung gibt.

Den primären Sinn eines Integrationsstaatssekretariats sieht Herzog-Punzenberger darin, „dass es sich selbst überflüssig macht": Das Ziel sei, zu einem neuen Bild der österreichischen Gesellschaft zu kommen - als mehrsprachige Gesellschaft mit Menschen unterschiedlicher Herkunft und Geisteshaltung. „Wir brauchen einen Perspektivenwechsel, der sich im Selbstverständnis aller Institutionen widerspiegelt", sagt Herzog-Punzenberger. Die Erfahrung aus klassischen Einwanderungsländern zeige jedoch, dass das „zehn bis zwanzig Jahre" dauern werde. 

NGO: "Totale Fehlkonstruktion"

Als „totale Fehlkonstruktion" sieht Anny Knapp von der Asylkoordination das Staatssekretariat: Sinn eines Integrationsstaatssekretariats sei schließlich, „das Thema Integration aus dem Sicherheitsressort herauszulösen", sagt Knapp. Genau das habe man vermieden. Eine Ansiedlung beim Bundeskanzleramt hätte es dem Staatssekretariat ermöglicht, allen Ressorts, die mit dem Thema Integration zu tun haben - also Unterrichtsministerium, Wirtschaftsministerium, Sozialministerium - Leitlinien zu geben. „Aber so, wie das jetzt passiert, ist das reine Kosmetik".

"Ulkige Aussagen"

Die „Wunschvorstellung der NGOs" sei eine eigene Behörde für Aufenthaltsrecht und Integrationsmaßnahmen, ähnlich dem deutschen Bundesamt für Migration, sagt Knapp - davon sei man nun weit entfernt. Dementsprechend „bescheiden" seien ihre Erwartungen an Sebastian Kurz, den sie ohnehin für eine Fehlbesetzung hält: „In dieser Funktion muss man integrativ wirken. Wenn man da jemanden auswählt, der ein politisches Standing hat, der viel Erfahrung hat, möglicherweise auch einen Migrationshintergrund, dann ist das ein anderes Signal, als wenn man jemanden nimmt, der bisher hauptsächlich durch ulkige Aussagen aufgefallen ist."

Caritas: "Halbe Lösung"

Der Wiener Caritasdirektor Michael Landau hält die Schaffung des neuen Amts zwar für „erfreulich", aber auch für „eine halbe Lösung", da es im Innenressort angesiedelt ist. Zum Ausgleich fordert Landau einen „Fachbeirat für Integrationsfragen" mit Mitgliedern aus NGOs, Communities und Wirtschaft. 

Wirtschaft:"Unsere Arbeit trägt Früchte"

Diese äußert sich in Person des Wiener Industriellenvereinigungs-Chefs Georg Kapsch positiv und sieht die Schaffung des Staatssekretariats auch ein wenig als eigenes Verdienst: "Wir sind über viele Jahre gelaufen, um die Politik von dieser Notwendigkeit zu überzeugen - und unsere Arbeit hat jetzt Früchte getragen", freut sich Kapsch. Auch er meint jedoch, "es wäre besser gewesen, es nicht im Innenministerium zu haben". Zu Sebastian Kurz will Kapsch nichts sagen: "Ich urteile nicht über Menschen, die ich nicht kenne."

Grüner Bundesrat: "BürgerIn wird verarscht"

Klare Worte findet der grüne Bundesrat Efgani Dönmez. Die Besetzung mit Kurz hält der Austrotürke für "einen schlechten Scherz". „Da komme ich mir als Bürger verarscht vor", meint Dönmez. „An jeder Uni muss ich meine Qualifikationen vorweisen, wenn ich ein Studium beginnen will - aber für die ÖVP gilt das anscheinend nicht."

Er habe sich immer für ein Staatssekretariat für Integration ausgesprochen, denn „es ist ja nicht so, dass es keine Aktivitäten im Bereich Integration gäbe, im Gegenteil, es gibt eine Menge. Aber die rechte Hand weiß nicht, was die linke tut." Es brauche hier eine koordinierende Stelle - grundsätzlich sei die Idee also wichtig. „Aber so, wie es jetzt gemacht wird, und wo das angesiedelt ist - da kann ich nur sagen: So macht man keine Meter."

Dönmez werde sich außerdem „ganz genau anschauen, zu welchen islamischen Gruppierungen der Herr Staatssekretär seine Kontakte pflegt." Was die bisher erwähnte Muslimische Jugend betrifft, so sei diese „ein Ableger von Milli Görüş", einer konservativ-islamischen Gruppierung, „die eine Symbiose von Politik und Islam verfolgt", sagt Dönmez. „Dafür habe ich Null Toleranz." (Maria Sterkl, derStandard.at, 20.4.2011)