Kuwait-Stadt/Wien - Der kuwaitische Bodyguard der Ministerin drückt seine letzte Zigarette aus, ein paar Meter entfernt von der Lauda-Boeing 737, unter deren Tragflächen die bei über 40 Grad auf dem Rollfeld Wartenden Schutz vor der Sonne gesucht haben. Die letzte Bahre ist oben, das Flugzeug mit elf irakischen Kindern und Jugendlichen und je einem Angehörigen kann Richtung Wien starten.

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Ein erster Blick auf die Patienten

Wir sind auf einem Militärflughafen in Kuwait - der nicht als kuwaitisch zu erkennen ist, nur US-Transportmaschinen sind zu sehen, dahinter die riesige Zeltstadt von Camp Wolf, in dessen 300-Betten-Spital wir die Kinder zum ersten Mal sehen. Die Ärzte, Walter Löffler und Friedrich Wallner aus Linz und der Wiener Moustafa Eltelby, wollen einen ersten Blick auf ihre Patienten werfen, wobei zu diesem Zeitpunkt drei ausständig sind: Sie sollten per Hubschrauber von einem spanischen Lazarettschiff kommen, die Sand- und Smogwolke, die sich am Abend vorher über Kuwait gesenkt hat, hat das verhindert. Aber dann werden sie per Ambulanz gebracht, und auch das klappt, "ein Weltwunder" seufzt Eltelby später im Flugzeug und meint damit die ganze Aktion.

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Mit dabei Außenministerin Benita Ferrero-Waldner

An Bord Außenministerin Benita Ferrero-Waldner, keine Frage, dass in Kuwait so eine ministerielle Präsenz manche Räder schmiert, auch die eines Flugzeugs, das in unserem Fall am Vortag fälschlicherweise auf dem Zivilflugplatz eingewiesen worden ist und deshalb erst auf den Militärflugplatz hinübergeschleppt werden muss, eine komplizierte Sache. Abgespragelt hat sich die österreichische Botschaft, namentlich Botschafter Roland Hauser und Konsul Albin Mauritz - hier zu erwähnen, weil auf keinem Bild zu finden. Und die überaus PR- geschulten, freundlichen US- Militärs, die mit solchen Sachen befasst sind, haben zumindest brav mitgemacht.

Viel lag auch an den Briten: Eine englische Militärärztin erzählt, dass der Konvoi, mit dem sie am Vorabend die Kinder von Basra nach Kuwait brachte, an der Grenze auseinander gerissen wurde, und sie sich dann in der kuwaitischen Wüste fast verirrt hat, mit einem kranken Kind im Auto: "I am a doctor ... und keine Konvoiführerin", sagt sie.

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Erste Kinder-Transport nach dem Krieg nach Europa

Es ist der erste Transport irakischer Kinder nach dem Krieg nach Europa, andere Länder haben es versucht und nicht geschafft. Die USA haben eben kein übermäßiges Interesse daran, dass Kriegsgegner anhand von kriegsverletzten Kindern vorführen, was da alles passiert ist. Österreichs "Trick" war, nicht auf Kriegsopfern zu bestehen, sondern einfach schwer kranke Kinder zu nehmen.

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Unter den Kindern ist kein einziges Mädchen

Und das sind sie: Verbrennungen, Schussverletzungen, ein Autounfall (angeblich im Rahmen von Kampfhandlungen, aber wer weiß das schon so genau), aber auch Krankheiten wie ein schrecklicher Gesichtstumor, eine Nierenkrankheit, eine angeborene Darmmissbildung, unter den jetzigen Umständen im Irak Todesurteile. Unter den Kindern ist kein einziges Mädchen - wieder einmal ein Hinweis darauf, wie es mit ihren Überlebenschancen bestellt ist in vormodernen Gesellschaften. Dafür ist eine junge Frau dabei, Schrapnellverletzungen, mit ihrem schüchternen Ehemann, ihr Kind ist tot.

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Am schlimmsten ist der "Rummel"

Die Bahren sind über die Sitze gelegt, manche Kinder können sitzen, die Angehörigen dazwischen lächeln verlegen zurück. Vor dem Vorhang gibt es Menüauswahl. Es ist ein ruhiger Flug, nur, wenn sie weinen, die Kinder, dann ist es kein normales Kindergeschrei. Die Krankenschwestern, Ingrid Larndorfer und Ramona Enengl aus Dr. Löfflers Team in Linz, haben alles im Griff, am schlimmsten, sagt die eine, ist der "Rummel". In Schwechat wird später eine Polizistin über die "Reporter" schimpfen. Wahrscheinlich glaubt sie ja, dass der Landeshauptmann, der uns am Rollfeld erwartete, dorthin kam, um ein armes irakisches Kind vom Flugzeug zum Rettungsauto zu führen, ohne dabei fotografiert zu werden.

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Kinder werden in österreichische Spitäler gebracht

Die Kinder werden in Spitäler in Wien, Graz, Salzburg und Klagenfurt gebracht. Primar Löffler hat im Flugzeug daran erinnert, dass es mit der medizinischen Betreuung der Kinder nicht getan ist - um die Angehörigen im Spital kümmert sich meistens niemand. Einen davon nimmt man auf die Pressekonferenz mit, die Ferrero-Waldner und Staatssekretär Reinhart Waneck in Schwechat geben, einen einfachen würdigen Mann: Wenn sein Kind wieder gesund ist, wird er in den Irak zurückkehren, wo Kurden, Sunniten und Schiiten in Frieden miteinander leben werden. (Gudrun Harrer, DER STANDARD Printausgabe 17/18.5.1003)

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