Ein gewisser Hang zur Gewaltbereitschaft ist der katholischen Kirche nicht abzusprechen. Nicht nur wegen der angeblich befreienden Selbstgeißelungen. Die gehören in konservativen Kirchenkreisen zum guten Ton. Selbst der bald selige Johannes Paul II. schnalzte sich mit schmerzlicher Regelmäßigkeit den eigenen Gürtel über den päpstlichen Rücken. Was hingegen wahrlich wehtut, ist die Unverfrorenheit, mit der es die katholische Kirche immer wieder schafft, Missbrauchsopfer erneut zu verletzen.

Jüngstes Beispiel ist die Diskussion rund um einen Pfarrer in Tirol. Wiederholt schwere Missbrauchsvorwürfe über Jahre, ja selbst ein Schuldeingeständnis haben den Gottesmann nicht das Amt gekostet. Der Pfarrer steht bis heute im Dienste des Herrn. Eigentlich müsste Waltraud Klasnic jetzt einmal vorsichtig beim Herrn Kardinal anklopfen und klären, wie ernst die Kirchenleitung die Arbeit der unabhängigen Opferschutzanwaltschaft nimmt.

Da mühen sich Experten seit mehr als einem Jahr ab, um die klerikalen Scherben der letzten Jahrzehnte wegzuräumen, und versuchen Opfern - spät, aber doch - ihre Würde zurückzugeben. Und der offiziellen Kirche gelingt es nicht, einen einschlägig auffälligen Dorfpfarrer in den nächsten Klosterkeller zum Hostien-Ausstechen zu verbannen. So wird es mit dem Weg aus der Krise schwer. Den Bekenntnissen zu mehr Transparenz und zu einer lückenlosen Aufklärung müssen Taten folgen. Auch im "heiligen" Land Tirol. (Markus Rohrhofer, DER STANDARD; Printausgabe, 20.4.2011)