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Im Londoner Auktionshaus Christie's rissen sich die Bieter 2002 um ein 32 Jahre altes Stück Stoff.

Foto: AP/Jasper Juinen

Original-Spielball "Super Duplo T" von der IV. Fußball-Weltmeisterschaft 1950 in Brasilien, verwendet beim Entscheidungsspiel Brasilien - Uruguay im Maracana-Stadion in Rio vor 173.000 Zuschauern. Uruguay gewann überraschend 2:1. Schätzpreis: 35.000 Euro.

Foto: agon-auktionen

Rainer Bonhof kam ungewaschen und im Plastiksackerl. Das seien ihm die liebsten, sagt Wolfgang Fuhr im Gespräch mit derStandard.at und lacht. "Beim Öffnen ist mir allerdings fast schlecht geworden." Er meint damit das Trikot des ehemaligen niederländisch-deutschen Fußballspielers und -Trainers. "Ein Balljunge hat ihm nach dem WM-Endspiel gegen die Niederlande 1974 das Dress abgeschwatzt und ließ es von der Mannschaft signieren. Waschen konnte er das Teil somit nicht." Match worn bezeichnen die Fans solche Sammlerstücke - Leibchen, die tatsächlich von den Spielern getragen wurden, die Königsklasse. Dahinter rangieren Ersatz- und Reservetrikots.

Bis zu 5.000 Euro

Wolfgang Fuhr ist einer, der solche Sportmemorabilia anbietet. Mit 100-prozentigem Rückgaberecht. Der Geschäftsführer der deutschen Agon Auktionen versteigert ausschließlich Originale. Von Fanartikeln will er nichts wissen. Abhängig von der Mannschaft und bei welchem Spiel sie getragen wurden, sind die Shirts ihren Fans zwischen 1.000 und 5.000 Euro wert. Trotz der doch geschmalzenen Preise kann es der große Wurf sein. "Oftmals sind nach Jahren Wertsteigerungen von bis zu 200 Prozent drin", so Fuhr. Renditen, die den gemeinen Anleger erblassen lassen.

Kein Wunder, dass der Fleckenteufel bei den Anlegern im Abseits steht. Je mehr Gras- oder eingetrocknete Spuren sich auf den Trikots bekannter Fußballer noch finden lassen, desto beliebter ist das Stück. Dennoch ist der Stink-Beweis alles andere als wasserdicht: Immer wieder starten "kuriose Zeitgenossen" (Fuhr) abenteuerliche Versuche, aus dem Shirt das zu machen, was es nicht ist: Da werden Leiberln schon mal übergeworfen und beim Laufen höchstpersönlich verschwitzt, manche Firmen haben sich sogar nur darauf spezialisiert, Retro-Shirts herzustellen. Und oft wissen Sportler selbst nicht mehr, wann sie welches Trikot getragen haben. Fuhr: "Der Unterschied zwischen WM oder Europapokal liegt bei rund 1.000 Euro."

Ausnahmeerscheinungen sind Trikots von Maradona, Messi & Co. Platz eins geht allerdings an einen 10-er: Das "kleine Gelbe" des Brasilianers Pelé, mit dem er 1970 im WM-Finale Italien vom Rasen fegte und sich zur Legende machte, ging 2002 bei Christie's in London um 260.000 Euro über den Ladentisch. Trikots der englischen Nationalmannschaft von der WM 1966 werden heute um bis zu 80.000 Euro gehandelt, einen Maradona gibt es bereits um läppische 20.000 Euro. Und ein Leiberl von Just Fontaine, 1958 WM-Torschützenkönig, getragen im Spiel um Platz drei gegen Deutschland, wechselte auf einer Auktion um 12.000 Euro den Besitzer.

Anlegen mit Spaßfaktor

"Im Grunde ist es wie bei Aktien", erklärt Fuhr. "Wer zum richtigen Zeitpunkt kauft, investiert gewinnbringend und hat auch noch Spaß dabei." Ein "früher" Messi wäre heute ein kleines Vermögen wert. "Der Trikot-Kauf ist Spekulationssache, man kann natürlich auch auf die Nase fallen." So ist Oliver Kahns Halbwertszeit bereits abgelaufen. Wurden vor einigen Jahren noch 3.000 Euro fürs Dress gezahlt, ist heute kaum jemand mehr für 300 Euro hinter dem Ofen hervorzulocken.

Eingeliefert werden die Stücke entweder von Sportlern selbst - manche wollen den alten "Kram" nicht mehr, einer tauschte seine Olympiamedaille gegen eine neue Hüfte -, oder aber von müde gewordenen Sammlern.

Geisterspieler

25 Jahre ist Fuhr mittlerweile im Geschäft und kennt eine Reihe von Tricks, um echt von unecht zu unterscheiden: Jede Zeit hatte ihre Materialien, ihre Art der Verarbeitung. Zusätzlich hilft eine umfangreiche Bibliothek, die unter anderem die Mannschaften bei den jeweiligen Spielen zeigt. So wurde beispielsweise ein Gerd Müller, jener "Held", der Österreich im WM-Qualifikationsspiel gegen Deutschland 1969 in der 89. Minute in kollektives Entsetzen stürzte, abgelehnt. Das angebotene Trikot war schnell als Plagiat entlarvt: Zum angeblichen Spielzeitpunkt war die "Tormaschine" gar nicht im Einsatz. Er war für vier Wochen verletzungsbedingt ausgefallen.

Doch auch Experten können sich mitunter ein Eigentor schießen. So reiste Fuhr nach England zu einem ehemaligen, mittlerweile von Finanznot gequälten und deshalb vom Erfindergeist übermannten Nationalspieler. "Auf den Bildern sah alles echt aus. Sehr echt. Vor Ort erstmals auch. Bis mir das kaum sichtbare Label der Erzeugerfirma auffiel." Dennoch gingen die Trikots später allesamt weg, teilweise um sehr teures Geld.

"Stabiler" Jan Ullrich

Seine Sympathie für die Briten hat darunter nicht gelitten. "Die angelsächsischen Länder sind uns weit voraus. Firmen ersteigern wertvolle Trikots, setzen sie als Werbeausgaben von der Steuer ab und stellen sie Museen als Leihgabe zur Verfügung. Nach zwei, drei Jahren wandert das Stück dann ins persönliche Wohnzimmer." Das Geld sei damit nicht nur sicher angelegt, sondern auch inflationsresistent. Selbst für den Fall, dass die Sportbegeisterung zurückgehe, würden nicht zwangsweise die Werte der alten Trikots fallen. "Die älteren Fans bleiben, bis sie sterben", meint Fuhr und nennt den Radsport in Deutschland als Beispiel. "Es fehlt an neuen Fans, doch die Preise für ein gelbes Jan-Ullrich-Trikot sind immer noch stabil und werden es auch die nächsten zwanzig Jahre bleiben. Die Fans werden an ihm als einzigen deutschen Tour-de-France-Sieger festhalten, egal, ob er gedopt hat, egal, wie er sich jetzt verhält."

Schweigen statt Strampeln wäre für den Veteran in diesem Fall wohl Gold. Mit Letzterem lassen sich laut Fuhr jedenfalls Investments in Trikots vergleichen. (Sigrid Schamall, derStandard.at, 18.4.2011)