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Die Klicklaute in der Sprache der südafrikanischen San sind berühmt - zugleich ist die Phonemvielfalt vieler afrikanischer Sprachen ein Hinweis auf den sprachlichen "Gründereffekt".

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Washington/Wien - Wo haben Menschen die ersten Worte gesprochen? Und wann könnte das gewesen sein? Die meisten Linguisten gehen davon aus, dass sich die Geschichte der menschlichen Sprache nicht weiter als bis vor rund 10.000 Jahre zurückverfolgen lässt. Mit anderen Worten: Die eingangs gestellten Fragen müssen wissenschaftlich unbeantwortet bleiben.

Quentin Atkinson, der bis vor kurzem an der Uni Oxford forschte, hat sich damit nicht zufrieden gegeben. Der neuseeländische Wissenschafter, der nun wieder an der Uni Auckland lehrt, hat ein Computerprogramm erstellt, mit dem er 504 Sprachen der linguistischen Datenbank "World Atlas of Language Structures" neuartigen Analysen unterzog.

Konkret konzentrierte er sich auf die Phoneme der Sprachen, also die kleinste, bedeutungsunterscheidende Einheit in Form von Vokalen, Konsonanten und Tonhöhen - und da wieder auf Laute wie "tsch", "s" und "ei". Dabei zeigte sich eindeutig, dass die Sprachen mit den meisten Phonemen in Afrika gesprochen werden, wo sogar Klick-Laute in Form von Zungenschnalzen zum Einsatz kommen. Am anderen Ende der Laut-Vielfalt stehen hingegen die Sprachen, die von den Indigenen in Südamerika und Ozeanien benützt werden.

Dieser Befund deckt sich auffällig mit Erkenntnissen der genetischen Vielfalt von Homo sapiens. DNA-Analysen haben längst bestätigt, dass die genetische Diversität von Afrika aus über Asien und Europa nach Amerika und Polynesien abnimmt. Auch diese linguistische Bestätigung der "Out of Africa"-Theorie geht, wie Atkinson im Fachblatt "Science" (online) schreibt, auf den sogenannten Gründereffekt zurück.

Die ersten modernen Menschen hätten demnach südlich der Sahara in einer großen, genetisch wie linguistisch verschiedenartigen Population gelebt. Davon setzten sich immer wieder einzelne Gruppen nach Asien bzw. Europa ab und nahmen eben nur einen Teil der Vielfalt in Erbgut und Sprache mit. Dazu kommt, dass eine Population, die sich ausdehnt, an ihren jeweiligen Rändern genetisch und linguistisch gleichförmiger wird.

Kürzlich erst haben Forscher um die Genetikerin Brenna Henn (Uni Stanford) auf Basis von DNA-Analysen den Ursprung der modernen Menschen in Südafrika ausgemacht (in PNAS, Bd. 108, S. 5154). Atkinson hingegen bietet für den Anfang der Sprache mehrere Szenarien an, die freilich alle jenseits der Sahara liegen.

Sicher aber sei, dass der Ursprung der modernen Sprachen noch vor dem ersten Exodus aus Afrika anzusiedeln ist, der vor rund 70.000 stattfand. Damit dürften die Sprachen womöglich sogar die entscheidende Innovation gewesen sein, die es den Menschen ermöglichte, von Afrika aus die Erde zu erobern. (tasch/DER STANDARD, Printausgabe, 16./17. 4. 2011)