Zehn Jahre an der Seite Josef Prölls: Daniel Kapp (rechts) verstand sich als Berater auf Augenhöhe.

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Der Adlatus wirkte angeschlagener als der Boss. Während Josef Pröll locker seinen Rücktritt verkündete, meinte man in Daniel Kapps Augen einen wässrigen Glanz zu sehen. Vier zehrende Wochen lang hat der Pressesprecher Pröll vor lästigen Journalisten abgeschirmt. Wer bei ihm anrief, konnte sich auf eine minutenlange Anklage gegen verlotterte Medien gefasst machen, die das Siechtum des Vizekanzlers so schändlich ausschlachteten.

Kapp hat sich nie bloß als Sprachrohr oder Kofferträger verstanden. Aufgetreten ist er wie ein Zwillingsbruder, der seiner anderen Hälfte auf Augenhöhe die Meinung sagen kann. Prölls Weg an die Spitze, so hatte es den Anschein, begriff der bald 43-Jährige auch als eigene Mission. Wenn Kapp über das Wirken seines Chefs spricht, rutscht im gerne ein "wir" heraus.

Die symbiotische Beziehung ist in den Biografien des gleichaltrigen Duos angelegt: Während Pröll im Weinviertler Ort Radlbrunn nahe dem Eisernen Vorhang aufgewachsen ist, wurde Kapp in eine Weltbürgerschaft gestoßen. Geboren ist der Sohn eines deutschen Diplomaten und einer amerikanischen Ethnologin in Ruandas Hauptstadt Kigali; nach Stationen in Sambia, Burma, Malaysia und Deutschland verschlug ihn das Geschichtestudium nach Wien. Freiwilliger Einsatz für die Kroatien- und Bosnienhilfe führten Kapp via Hilfswerk zur ÖVP. Dieser konnte er zwar seine Stimme leihen, aber nicht geben: Der Deutschamerikaner ist mangels österreichischer Staatsbürgerschaft nicht wahlberechtigt.

Tür in exotische Welten

Dem aufgeschlossenen, aber doch im hermetischen Parteimilieu sozialisierten Pröll versuchte Kapp die Tür in "exotische" Welten zu öffnen: Er arrangierte Gespräche mit Amnesty-Chef Heinz Patzelt, der roten ÖH-Vorsitzenden Barbara Blaha oder der dunkelhäutigen Frauenaktivistin Béatrice Achaleke - und bahnte Kontakte zur jüdischen Gemeinde an. Auf Kapps Initiative flog Pröll nach Israel und lud in Wien zum jüdischen Neujahrsfest Rosh ha-Shana. Als er sich von Seiten der SPÖ "peinliche Anbiederung" vorwerfen lassen musste, verteidigte Kapp die Aktivitäten mit Verve in einer Facebook-Debatte: Es gehe darum, das Verhältnis zwischen der ÖVP und den jüdischen Mitbürgern endlich zu normalisieren.

Die "jesuitisch provozierte Lust am Diskurs" pflegte der Ex-Zögling des Bonner Aloisius-Internats auch im Tagesgeschäft. Nicht selten witterte er hinter kritischen Artikeln sozialdemokratische Einflüsterer, um dann selbst den Spin-Doctor zu spielen, der in einer Info die genehme Interpretation unterschwellig mitverpackt.

Ob er als Kommunikator zum ÖVP-Sinkflug beigetragen hat? Über eine persönliche Bilanz habe er noch ebenso wenig nachgedacht wie über seine berufliche Zukunft, sagt Kapp, sieht die Branche aber auf einem bedenklichen Weg: "Die Zentrifuge der Medienwelt dreht sich immer schneller. Uns allen - Politikern wie Journalisten - fehlt die Zeit, uns mit Themen tiefgründig zu beschäftigen. Das führt zu einer Verflachung."

Eine Verflachung war aber doch erwünscht. Pröll und Kapp, der den in Israel tradierten Selbstverteidigungssport Krav Maga ausübt, spornten sich gegenseitig beim Abnehmen an. Böse Zungen behaupten: Beim Erfolg habe sich gezeigt, wer der Boss ist. (Gerald John, DER STANDARD, Printausgabe, 16./17.4.2011)