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Sicheres Radfahren für Kinder ist laut Regierung - und den meisten Österreichern - nur mit Kopfschutz möglich. Möglicherweise wird ihnen dadadurch aber die Lust am Radeln verdorben.

Foto: Reuters

Wien - Mit den hoffentlich steigenden Temperaturen beginnt die Radsaison. Kinder unter zwölf Jahren werden ihr behelmt entgegentreten müssen: Ab 1. Juni soll für sie eine Radhelmtragepflicht gelten. ÖVP und SPÖ wollen das per Novelle der Straßenverkehrsordnung vorschreiben.

Die Österreicher freut's: 96 Prozent aller Befragten halten das Radhelmtragen aus Sicherheitsgründen für alle unter Zehnjährigen für angebracht, 91 Prozent gar für alle unter 15jährigen. Die Grünen hindert das nicht, Einspruch gegen das Kopfumhüllungsgebot zu erheben.

"Eltern und Kindern wird die Wahlfreiheit genommen", meint etwa Tanja Windbüchler-Souschill, Grünen-Sprecherin für Jugend und Zivildienst. Durch die Novelle würden Kinder zum Helmtragen verdonnert, sobald sie sich außerhalb privater Grundstücke aufs Rad setzten: "Die Helmpflicht gilt auf allen öffentlichen Straßen und Wegen, also auch im Wald, so dieser der öffentlichen Hand gehört." Tragen Kinder keinen Helm, riskierten ihre Eltern Mitschuld bei Unfällen.

Argument: Die Helmpflicht ist ungesund

"Das Mitverschulden wird in Paragraf 68 StVO explizit ausgeschlossen", widerspricht Susanna Enk, Sprecherin von Verkehrsministerin Doris Bures (SP). Das lässt Windbüchler-Souschill nicht gelten: Mithaftung Erwachsener sei nicht hundertprozentig zu verhindern - eine Ansicht, die das Justizministerium in seiner Stellungnahme zur Novelle teilte.

Die Grünen sind nicht die einzigen, die die Radhelmpflicht für Unsinn halten: Auch der Verkehrsclub Österreich, alle wichtigen österreichischen Radverbände, die EU-Kommission und zahlreiche Wissenschaftler denken so. Ihr Argument: Die Helmpflicht ist ungesund.

In Teilen Australiens, wo Radfahrer seit 1991 Helme tragen müssen, verzichteten fast die Hälfte der Radler danach auf den Ritt. Regelmäßiges Radfahren verlängert aber auch ohne Helm die durchschnittliche Lebenserwartung um zwei bis zehn Jahre.

Schützen Helme?

Hinzu kommt, dass umstritten ist, ob Helme überhaupt effektiv vor Kopfverletzungen schützen. Jene Studie von 1987, auf die sich die meisten Befürworter beziehen, wurde in der Fachwelt wegen methodischer Fehler harsch kritisiert. Zahlreiche Folgestudien konnten keinen positiven Effekt durch Helme nachweisen.

Das klingt seltsam, hat aber laut anderen Untersuchungen gute Gründe: Tragen Radfahrer Helme, so halten Autofahrer weniger Abstand, die Unfallwahrscheinlichkeit steigt; Menschen, die Helme tragen, fahren riskanter; und schwere Kopfverletzungen passieren meist, wenn Radfahrer mit Autos zusammenstoßen. Für solche Unfälle sind Radhelme aber nicht ausgelegt.

Das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) sieht das anders: Laut seiner Studie könnten 900 Kopfverletzungen bei Kinder pro Jahr mit der Helmpflicht verhindert werden. Die meisten Studien würden nicht zwischen Kindern und Erwachsenen differenzieren. Die Auswirkungen auf die Radfahrhäufigkeit sei bei einer Helmpflicht nur für Kinder nicht vergleichbar mit einer allgemeinen Helmpflicht - zumal bereits 75 Prozent aller Kinde mit einem Helm unterwegs seien.

Bei Kindern sei außerdem das Kopfverletzungsrisiko aufgrund ihrer Körperproportionen und ihrer Reaktionsmuster größer. Die Zahlen, auf die sich die KfV-Studie dabei stützt, stammen aus der Freizeitunfall-Statistik, nicht aus der Verkehrsunfallstatistik: Unfälle, bei denen Kinder mit Fahrzeugen zusammengestoßen sind, wurden nicht berücksichtigt. (Irene Brickner /Tobias Müller, DER STANDARD, Printausgabe, 16./17.4.2011)