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Heftige Spekulationen geistern seit ein paar Stunden durch das Europäische Parlament in Brüssel. Im Lager des EU-Abgeordneten Hans-Peter Martin werde demnächst eine politische „Bombe“ hochgehen. Auslöser sei – wieder einmal – der Streit um die Verwendung öffentlicher Gelder, die der Liste HPM mit ihren drei  Mandaten bei den EU-Wahlen 2009 aus der staatlichen Wahlkampfkostenrückerstattung einerseits, andererseits aber auch aus den EU-Budgets für Büro- und Mitarbeiterkosten üppig zuflossen.

Offenbar steht ein Bruch des EU-Abgeordneten Martin Ehrenhauser, des früheren langjährigen Assistenten Martins, mit seinem früheren Mentor unmittelbar bevor. Auf meine diesbezügliche Anfrage vorhin antwortete Ehrenhauser eher kryptisch: „Ich werde gerne darüber reden. Aber erst morgen.“

Gut. Vielleicht ein „interessanter Tag“. Ich wollte von Ehrenhauser ein paar ganz konkrete Details über Abrechnungen von Parteigeldern wissen, bzw. über Verbuchungen von Mitarbeitern im EU-Parlament, und warum er seit Monaten sichtlich auf Distanz zu Hans-Peter Martin ist. Bei den Plenarsitzungen gehen sie aneinander jedenfalls eher vorbei – für alle Sitznachbarn erkennbar.

Was mit dem Listengründer Martin wirklich los ist, das sorgt bei Abgeordneten der anderen Fraktionen ohnehin schon seit langem für Gesprächsstoff, spätestens seit er im Oktober bei der wichtigen Abstimmung über das EU-Budget fehlte. Auf seiner Homepage machte er seine Ohrenkrankheit für die Irritationen verantwortlich. Bei den Sitzungen fällt auf, dass Martin oft nur kurz auftaucht. Auch gegenüber den Medien hält sich HPM seit längerem auffallend zurück, im Vergleich zu früheren Zeiten.

Das alles ist der „klimatische“ Hintergrund zu den  aktuellen Auseinandersetzungen innerhalb der Liste HPM um die Verwendung von öffentlichen Geldern. Sie ist nicht neu. Weil sie vom selbsternannten „Saubermann“ Martin keine Auskunft erhielt, was er mit hunderttausenden Euro in der Parteikasse genau gemacht hat, war bereits im vergangenen Sommer die Salzburgerin Angelika Werthmann ausgetreten. Seither arbeitet sie als „freie“ Abgeordnete in Straßburg und Brüssel. Leser des Europablogs werden sich daran erinnern, auch an die Ausführungen rund um eine Verurteilung Martins durch den Europäischen Gerichtshof, der ihn zur Rückzahlung von 168.000 Euro für nicht sachgemäßen Bezug von Assistentengeldern verdonnerte. Das Verfahren läuft nach einer Berufung noch.

Meiner mehrmaligen Aufforderung, seine Parteifinanzen doch einfach offenzulegen, uns die Gelegenheit zu geben, die Bücher gemeinsam mit dem renommierten Parteienfinanzierungsexperten Hubert Sickinger anzuschauen, ist Martin nach wie vor nicht nachgekommen. Die Einladung steht noch immer.

Inzwischen sind – von Parteimitgliedern der Liste HPM und Ex-Mitarbeitern intern heftig diskutiert – ein paar Details dazugekommen. Etwa die Frage, warum ein Bregenzer Grafiker, der Martin im Wahlkampf unterstützt hat, vor nicht langer Zeit in den Mitarbeiterlisten des Europäischen Parlaments auftauchte.

Größter Stein des Anstoßes in der Partei scheinen aber nach wie vor jene 2,33 Millionen Euro zu sein, die HPM als Parteichef aus der österreichischen Staatskasse als Wahlkampfkostenrückerstattung bekommen hat. Im EU-Wahlkampf sei nicht einmal ein Bruchteil dessen ausgegeben worden, weiß ein Insider. Man habe einen äußerst sparsamen Wahlkampf geführt, nicht zuletzt habe niemand geglaubt, dass man drei Mandate machen werde.

Nun fragen sich viele, was also mit dem Geld geschehen ist, weil eine eigentliche Parteiarbeit, mit teurer Zentrale oder so, ja nicht existiere. Die Bandbreite der Spekulationen reicht von Immobilienankauf bis Therapiekosten. Auffallend an der veröffentlichten Bilanz ist schon auf den ersten Blick die Sprunghaftigkeit in den Ausgaberubriken.

Zwei Beispiele: Wurden unter „Büroaufwand und Anschaffungen“ für das Jahr 2007 227.195,11 Euro verbucht, und für das Jahr 2009 insgesamt 144.600 Euro, so waren es im Jahr 2010 plötzlich nur noch 8.765 Euro. Dafür stieg der Sachaufwand von 304.830 Euro im Jahr 2007 auf nicht weniger als 954.111 Euro im Jahr 2010. Also im Jahr nach den EU-Wahlen, und neben allen Kosten, die das EU-Parlament den drei Abgeordneten ohnehin nicht zu schmal ersetzt.

Ein Insider würde auch gerne wissen, was im Jahr 2009 an „Spenden“ wirklich geleistet wurde. Martin wies darauf hin, dass er 100.000 Euro an das Integrationshaus in Wien überwiesen habe. Bleiben 68.000 Euro, die (noch) nicht ausgewiesen sind. Es soll sich um eine Spende an eine Einzelperson handeln.

Bis zur mutmaßlichen Korruptionsaffäre um den VP-Abgeordneten Ernst Strasser schienen diese Dinge nur EU-Spezialisten zu interessieren. Aber seit der explosiven Debatte um Unvereinbarkeiten und Sauberkeit muss Hans Peter Martin sich selber vielen Fragen aus seinem eigenen Sympathisantenkreis stellen. Umso mehr, als er als Autor und Firmenbeteiligter mindestens indirekt zahlreiche Überschneidungen von Abgeordnetenmandat und Privatperson aufweist. Das lenkt den Blick auf die Fragen, welche Honorare Martin wofür bezieht, so wie er selber sie seinen Abgeordnetenkollegen in Straßburg ständig stellt.