Die Form des Skeralrings (in Blau hervorgehoben) macht den Unterschied: Flugsaurier (im Bild) waren - anders als Velociraptoren - meist tagsüber unterwegs.

Foto: Lars Schmitz

London/Wien - Allzu viel ist es ja nicht, was im Science-Fiction- Abenteuer-Spektakel Jurassic Park (1993) von Steven Spielberg wissenschaftlich haltbar ist. Aber in immerhin einer Sache waren er und Drehbuchautor Michael Crichton dem Forschungsstand ihrer Zeit voraus: Denn im Film und der Buchvorlage jagen die wieselflinken Velociraptoren (velox bedeutet auf Lateinisch "schnell", raptor "Räuber") auch in der Nacht nach ihren Opfern.

In der Saurierforschung war diese Darstellung - zumindest bis heute - umstritten wenn nicht gar verpönt. Viele Paläontologen gingen nämlich davon aus, dass alle Dinosaurier tagaktiv waren und nächtliche Beutezüge ausschließlich den damals lebenden Säugetieren vorbehalten waren, die sich durch diese Spezialisierung ihr Überleben sicherten.

Augen bringen Überraschung

Neue Forschungen von Lars Schmitz und Ryosuke Motani (Universität von Kalifornien in Davis) über die Augenentwicklung bei Dinosauriern und ihren Nachfahren bis in die Gegenwart brachten nun aber eine Überraschung ans Tageslicht: Vergleiche der verschiedenen Augenformen legen nämlich nahe, dass einige Dinosaurier nachts oder in der Dämmerung gejagt haben dürften, wie die beiden Forscher im US-Wissenschaftsmagazin Science (online) schreiben. Und andere haben Tag und Nacht gefressen.

Die Paläontologen untersuchten für ihre Studie einerseits die Fossilien von insgesamt 33 Dinosauriern, Flugsauriern und frühen Vögeln. Andererseits sahen sie sich die Augenformen von 164 heute lebenden Tierarten an und vergleichen sie mit deren Tag- und Nachtrhythmus. Besonderes Augenmerk richteten die Forscher dabei auf den sogenannten Skleralring, eine knöcherne ringförmige Verstärkung um das Auge von Vögeln und den meisten Reptilien.

Säugetieren und Krokodilen hingegen fehlt diese Struktur, die aus rund 15 Knochenplättchen besteht, die in die Lederhaut im Übergang zur Hornhaut eingelagert sind. Bei tagaktiven Tieren ist die Öffnung des Skeralrings klein, bei nachtaktiven Tieren sehr viel größer - was, mehr Licht ins Auge fallen lässt.

Nachtaktive Beutegreifer

Die gleichen Unterschiede fanden die Wissenschafter in den Fossilien von Dinosauriern, Flugsauriern und frühen Vögeln: Saurier, die fliegen konnten, waren laut Schmitz und Ryosuke Motani hauptsächlich tagaktiv. Viele Beutegreifer hingegen (wie eben auch Velociraptor), die andere Tiere fraßen, jagten nachts.

Große pflanzenfressende Saurier wiederum dürften nahezu rund um die Uhr auf Futtersuche gewesen sein - einfach, weil sie so viel fressen mussten. Ähnlich sei das auch bei den heutigen Riesenpflanzenfressern wie den Elefanten, sagt Ryosuke Motani.

Und wie war das bei Tyrannosaurus Rex, der ja auch spektakuläre Auftritte in Jurassic Park hat? Diese Frage mussten die beiden Paläontologen noch unbeantwortet lassen. Es gibt schlicht und einfach keine T-Rex-Fossilien, deren Skleralringe gut genug erhalten sind. (tasch/DER STANDARD, Printausgabe, 15.04.2011)