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Nachdem es die Insel Lampedusa verfehlt hatte, zerschellte ein Boot mit 192 Flüchtlingen 150 Kilometer weiter nördlich auf Pantelleria an den Klippen

Foto: EPA/FRANCO LANNINO -S.GABRIELE

Rom/Tunis/Tripolis - In Sachen Flüchtlingspolitik liegen in der italienischen Regierungskoalition die Nerven blank. Vor allem Vertreter der rechtspopulistischen Lega Nord sorgten am Dienstag und Mittwoch für Empörung: Roberto Castelli, Staatssekretär im Infrastrukturministerium, sagte, er würde die Flüchtlingsboote am liebsten "abschießen" lassen.

Auch sein Parteifreund Francesco Speroni schlug in die gleiche Kerbe: Italienische Fischer würden von der tunesischen Küstenwache beschossen, wenn sie die Grenzen der Hoheitsgewässer überfahren, das sollte Italien auch tun dürfen, meinte der EU-Parlamentarier. "Um die Invasion aufzuhalten, ist jedes Mittel erlaubt."

Innenminister Roberto Maroni, ebenfalls Lega Nord, schwächte seine Polemik gegenüber der EU ab. Er hatte zuletzt erklärt, die Union habe Italien absichtlich im Stich gelassen.

10.000 Visa

Trotz der am Montag in Luxemburg klar ausgesprochenen ablehnenden Haltung der EU-Innenminister gegenüber der italienischen Visa-Politik will Rom an seinem Vorhaben festhalten und binnen nächster Woche 10.000 tunesischen Flüchtlingen befristete Visa ausstellen, mit denen sie im Schengen-Raum reisen können.

In Tunis traf am Mittwoch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso mit Regierungsvertretern zusammen, um im Rahmen von EU-Wirtschaftshilfeprojekten auch eine Regelung für die Rückführung von tunesischen Migranten zu erörtern.

Dramatische Szenen spielten sich unterdessen auf der Insel Pantelleria zwischen Lampedusa und Sizilien ab. Ein Boot mit 192 Flüchtlingen wurde im Sturm gegen die Klippen getrieben. Männer der Küstenwache und Inselbewohner sprangen ins Wasser, um die Ankömmlinge zu retten. Zwei junge Frauen konnten nur noch tot geborgen werden, ein Mann blieb vermisst. Das alte Fischerboot war vor fünf Tagen von der libyschen Küste in Richtung Lampedusa ausgelaufen, hatte im Sturm aber die Insel verfehlt und wurde nach Norden abgetrieben.

560 Flüchtlinge vermisst 

Von drei weiteren Schiffen fehlt nach Auskunft des Uno-Flüchtlingshochkommissariats jede Spur. Wie die italienische UNHCR-Sprecherin Laura Boldini berichtete, hätten die Boote mit insgesamt 560 Menschen an Bord vor über einer Woche in Libyen abgelegt, seien aber niemals in Lampedusa angekommen.

Auf der süditalienischen Insel 140 Kilometer vor Tunesiens Küste landete trotz stürmischer Winde am Mittwoch ein Boot mit 105 Tunesiern. 30 weitere wurden mit einem Flug in ihr Herkunftsland zurückgebracht. (mu, gian, tom, DER STANDARD Printausgabe, 14.4.2011)