Bild nicht mehr verfügbar.

Organisierter Betrug steht nicht nur in der Baubranche auf der Tagesordnung. "Er zieht sich durch alle Bereiche", sagen Experten.

Foto: AP/Jens Meyer

Eine Expertenstudie legt Schwächen im Kampf gegen Sozialbetrug offen. In einem ersten Schritt will Sozialminister Rudolf Hundstorfer für ein elektronisches Baustellen-Register sorgen.

Wien – Es sind zwei beunruhigende Nachrichten, mit denen die Strafrechtlerin Susanne Reindl-Krauskopf aufhorchen lässt: Sozialbetrug wird von kriminellen Netzwerken immer systematischer betrieben. Und: Die Prüfer von Krankenkassen, Finanz und Polizei sind schlecht vernetzt.

Die Juristin wurde von Sozialminister Rudolf Hundstorfer mit einer Studie beauftragt, erste Zwischenergebnisse wurden am Mittwoch vorgestellt. In monatelangen Vorortrecherchen ihres Mitarbeiters Martin Meißnitzer bei allen involvierten Stellen stellten sich vor allem Scheinfirmen als großes Problem heraus.

Wobei die Kreativität der Betrüger keine Grenzen kennt. So wird oft vorgegeben, man arbeite mit ausländischen Arbeitskräften, obwohl diese aus dem Inland stammen. Die Behörden glauben also, die Mitarbeiter sind im Ausland sozialversichert. Was sie aber nicht sind. Oder laut Krauskopf ein noch immer ungelöstes Problem: die Auftragsvergabe an Subfirmen. In der ersten oder zweiten Ebene sind die oft noch seriös, ab der dritten Ebene nur mehr selten.

Gearbeitet wird mit Spezialisten. Der erste kümmert sich um die Scheinfirma. Der nächste wirbt Strohmänner an, ein dritter beschafft gefälschte Dokumente. Wobei die Preise für die falschen Papiere variieren. Je nachdem, was man will: Nur eine Anmeldung bei der Krankenkasse oder doch eine Gehaltsbestätigung, die man für ein Kreditgeschäft bzw. einen Aufenthaltstitel benötigt.

Mit Scheinrechnungen zwischen Firmen werden die Gewinne – und somit die zu bezahlenden Steuern – gedrückt. "Eine Win-Win-Situation." Eine Firma überweist den fingierten Betrag an die andere, diese behält eine Provision ein, gibt den Rest an die erste Firma zurück. Beschränkt sei der Betrug längst nicht mehr nur auf die Baubranche – "das zieht sich durch alle Bereiche".

Dem Sozialminister wurden daher mehrere konkrete Verbesserungsvorschläge gemacht:

- Papieranmeldung: Die Anmeldung zur Sozialversicherung ist noch in Papierform möglich. Wegen des großen bürokratischen Aufwandes werden diese Anmeldungen aber nur verspätet geprüft, daher solle man diese Möglichkeit abschaffen. Aber auch bei der elektronischen Anmeldung sieht man Schwachstellen: So sind neue Meldungen auch nach Konkurseröffnung noch möglich.

- Früher anmelden: Im Gegensatz zur Sozialversicherung muss die Anmeldung zur Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse nicht vor Arbeitsantritt erfolgen. Die 14-Tage-Frist solle gestrichen werden.

- EDV-Problem: Die Krankenkassen können derzeit bei Vor-Ort-Kontrollen nicht via EDV-System sehen, ob eine Firma in einem anderen Bundesland Beitragsschulden hat oder eine extrem stark zunehmende Mitarbeiterzahl (ein starkes Indiz für Betrug). Hier brauche es eine stärkere Vernetzung. Wobei es generell bessere Softwarelösungen zur Früherkennung von dubiosen Firmen sowie eine bessere Abstimmung zwischen den Behörden brauche. Eine zentrale Behörde sei dabei gar nicht zwingend nötig.

- Bauregister: Bereits in Umsetzung ist ein weiterer Vorschlag: alle Baustellen sollen künftig zentral elektronisch erfasst werden. So sollen die Prüfer gezielter Vor-Ort-Kontrollen durchführen können. Ein Gesetzesentwurf wird am Freitag ausgeschickt. Für die Umsetzung der anderen Vorschläge will Hundstorfer mit den anderen Ministerien und den Krankenkassen in Verhandlungen eintreten. (Günther Oswald, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.4.2011)