Unvergessliches Leinwandliebespaar: Traute und Käthe, Protagonistinnen in Elfi Mikeschs Doku "Was soll'n wir denn machen ohne den Tod" (1980) über ein alternatives Hamburger Altenheim.

Foto: Mikesch

Elfi Mikesch: "Ich komme von der Fotografie."

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Wien - Im unabhängigen deutschen Kino spielt Elfi Mikesch seit den 1970er-Jahren eine ganz wesentliche Rolle: Ob als Regisseurin eigener Dokumentarfilme (Ich denke oft an Hawaii, 1978; Was soll'n wir denn machen ohne den Tod, 1980; Verrückt bleiben, verliebt bleiben, 1997, u. a.). Oder als Kamerafrau für Rosa von Praunheim, Monika Treut und Werner Schroeter. Der vor einem Jahr verstorbene Freund und Kollege steht im Zentrum von Elfi Mikeschs jüngstem Kinofilm: Mondo Lux ist seinen "Bilderwelten" gewidmet, ist Porträt, Hommage, Arbeitsstudie. Im Rahmen eines Specials, das dok.at bis 17. April im Filmcasino ausrichtet, hat er heute, Donnerstag, seine Wien-Premiere.

Standard: Werner Schroeter hat immer wieder gesagt, dass er sich mit Ihnen ohne Worte verständigt hätte - wie darf man sich das konkret vorstellen?

Mikesch: Das bedeutet, dass es eine Ebene gibt, auf der Intuition und die gegenseitigen Antennen wirksam sind. Wir haben uns ja lange und gut gekannt. Werner Schroeter hat beispielsweise die Plansequenz sehr geliebt, da passiert in einer Einstellung sehr viel, und die Schauspielerinnen und Schauspieler können die nötige Freiheit entwickeln, ohne durch technische Vorgaben unterbrochen zu werden.

Standard: Sie haben keine Scheu, Menschen körperlich nahe zu kommen, wirken sehr beweglich in Ihrer Kameraarbeit, trotzdem wird nie eine Grenze überschritten.

Mikesch: Beim Dokumentarischen ist es schön zu beobachten, wie sich nach ungefähr zehn Minuten das Gesicht über die Augen oder die Sprache für die Kamera, für mich öffnet. Genau das ist das Ereignis, es überrascht mich jedes Mal. Auch in Mondo Lux: Werner Schroeters Gesicht war schon sehr fragil am Ende. Mit der Kamera in so ein Gesicht schauen zu dürfen - das erzählt sehr viel. Heute wird so schnell aneinander vorübergegangen.

Standard: Sie sind über die Fotografie und ein künstlerisches Umfeld zum Kino gekommen - gab's filmische Vorbilder?

Mikesch: Ich habe schon als Kind unendlich viele Filme gesehen, mein Vater war Filmvorführer. Ich sah Heimatfilme, Schnulzen - selten große Filmkunst, das kam erst später. Ich hatte eine lange Phase mit Italowestern. Mit der italienischen Filmkunst habe ich mich später sehr eingehend beschäftigt. Pasolini hat mich immer begeistert. Aber meine eigenen Arbeiten kamen nicht aus der Anlehnung heraus. Ich hatte einen unglaublichen Respekt vor diesem Apparat. Meine Anfänge waren das Experiment, die Fotofilme, die ersten Dokumentarfilme.

Standard: Ihre Filme haben immer noch etwas Unverwechselbares.

Mikesch: Es gab natürlich Anregungen - durch die Freunde: Rosa von Praunheim, sehr stark auch Werner Schroeter. Sein frühes Werk, da war eine Verwandtschaft in der Empfindung, ob das die Musik war oder diese Expression, in die er seine Protagonisten versetzte. Das hatte etwas Ekstatisches, auch wenn es ganz in einem scheinbaren Stillstand verharrte, eine Intensität, die anders erzählte. Gegen den Strom.

Standard: Und der Einfluss der Fotografie?

Mikesch: Ich komme ja von der Fotografie. Die Frage, wie ich dem konventionellen Ausschnitt untreu werde. Nämlich indem ich das Bild kippe - diese schräge Kamera ist mir oft vorgeworfen worden. Auch Unschärfen oder das Abwandern des Blicks: Ich sehe darin etwas von der alltäglichen Wahrnehmung, die umherschweift, neue Bezüge entdeckt - das ist das Angebot, das uns unsere Augen im Geheimen geben. Das möchte ich wiedergeben: Erfahrungen meines Sehens, die nicht den Gewohnheiten folgen.

Standard: Ihre ersten Filme wurden intensiv von der Zeitschrift "Frauen & Film" begleitet, für deren Titelgestaltung Sie eine Zeitlang verantwortlich waren.

Mikesch: Das war ein wichtiges Forum, und es wurde auch von Frauen gelesen, die selbst keine Filme gemacht haben. Man konnte in Diskussionen einsteigen - ob es um Ästhetik oder neue Inhalte ging, um das kritische Auge. Es war eine lebendige Auseinandersetzung. Ich habe sehr bedauert, dass sich das später verändert hat.

Standard: In "Was soll'n wir denn machen ohne den Tod" gibt es eine markante Küchenszene - ein symbolträchtiger Ort, der in Filmen von Frauen damals sehr bewusst inszeniert wurde.

Mikesch: Ja, ein Wirkungsraum. Aus der Küche ausbrechen, das war ein entscheidender Schritt. Es entstand ein neues Bewusstsein für die Situationen von Frauen, die Möglichkeit zur Selbstbestimmung, die sich für andere Frauen durch den Film darstellte. Aber auch für Männer. Wenn ich an den Protagonisten Steve denke, den ich für Was soll'n wir denn machen ... ins Altenheim mitgebracht habe. Er wurde immer aufmerksamer, achtsamer. Die ganze überdrehte Vitalität lässt er dann in einer Szene buchstäblich in der Mülltonne - jedes Bild erzählt noch eine andere Geschichte.

Standard: Solche Interventionen gibt es bis zu "Judenburg findet Stadt", wo Sie die lettische Liedersammlerin Margo mitnehmen.

Mikesch: Ich überlege immer, was ich ins Dokumentarische einbringen kann, damit sich das Ganze noch einmal dreht. Weil ich selbst hinter der Kamera stehe, dachte ich, wir machen ein Dreiecksverhältnis. Das ist immer spannend. Wenn es nicht nur zwei sind, sondern drei, dann hat es eine andere Zirkulation. (Isabella Reicher, DER STANDARD/Printausgabe 14.4.2011)