Schon als Josef Pröll den glücklosen Wilhelm Molterer als Parteichef ablöste, stand seine Tätigkeit als Parteichef unter keinem guten Stern. Damals entschloss sich Pröll gemeinsam mit seinen engsten Vertrauten wieder in die Große Koalition zu gehen. Diese Entscheidung war innerhalb der ÖVP höchst umstritten - was Pröll auch beim Parteitag zu spüren bekam. Mit 89,6 Prozent der Delegiertenstimmen musste er das abgesehen von drei Kampfabstimmungen schlechteste Parteitagsergebnis in der Geschichte der ÖVP hinnehmen.

Es folgte eine Regierungsbildung, in der sich Pröll dafür feiern ließ, die Schlüsselressorts ergattert zu haben. Launig zeigte er sich mit Alfred Gusenbauers Nachfolger Werner Faymann. Und man wurde nicht müde zu versprechen: Jetzt wird alles gut, wir machen alles anders. Gemeinsame Abendessen mit den Ehefrauen wurden dem Volke als Bestätigung für ein erbauliches Koalitionsklima vorgeführt.

Oberwasser

Langsam wuchs auch innerhalb der ÖVP wieder das Vertrauen in ihren Chef. Schließlich galt er als eine der letzten Personalreserven der Schwarzen. Voller Tatendrang und ausgestattet mit seinem niederösterreichischen Schmäh gelang es ihm auch zunehmend das Oberwasser in der Koalition zu gewinnen. Das schlechte Ergebnis bei den Wienwahlen versuchte man in der Bundespartei noch als spezifisches Problem der Wiener darzustellen. 

Just als Pröll vor einem Monat eine Lungenembolie erlitt, brach in der ÖVP dann das nächste Desaster aus. Ernst Strasser musste zurücktreten, ebenso Hella Ranner. In der VP-Delegation in Brüssel herrscht das Chaos, ebenso im Justizministerium. Dass dringend jemand benötigt wird, der Führungsstärke demonstriert, wurde in diesem Monat sehr deutlich.

Chance zur Neuaufstellung

Nun hätte die ÖVP einmal mehr die Chance, sich neu aufzustellen. Ein neuer Parteichef oder eine neue Parteichefin könnte sich auch gleich glückloser ÖVP-Regierungsmitglieder entledigen. In diesen turbulenten Tagen wird die „Erneuerung" jedoch ein besonders schweres Unterfangen sein. Mit mehr "Sex-Appeal für Außenstehende" wie das VP-Wien Chefin Christine Marek zuletzt vorgeschlagen hat, wird es nicht getan sein. Maria Fekter kündigte eine „ganz neue ÖVP" an. Ähnliches versprach sie aber schon im Jahr 2008 als Pröll nach Molterers Abgang Parteichef wurde. "Wir werden die ÖVP neu aufstellen", sagte sie schon damals.

Wolfgang Schüssel jahrelanges eisernes Regiment über die Volkspartei zeigt sich jetzt bitter. Für Emporkömmlinge machte er wenig Platz. Eine wirklich charismatische Führungspersönlichkeit ist weit und breit nicht zu sehen. Und somit fehlen auch treibend Kräfte, die die Volkspartei wieder stärken können.

Wer auch immer Pröll nachfolgt: Es wird nicht einfach sein, mit einem Kanzler zusammenzuarbeiten, der zwar die Gemeinsamkeit beschwört aber nach wie vor als Taktiker in Allianz mit der Kronen Zeitung agiert. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 13. April 2011)