Wien - 1150-mal hat das "Trampolin" (Copyright Sozialminister Rudolf Hundstorfer) bereits funktioniert. So vielen Beziehern der Mindestsicherung konnte vom Arbeitsmarktservice (AMS) nämlich schon ein Job vermittelt werden, erläutert AMS-Vorstand Herbert Buchinger im Standard-Gespräch. Mit der administrativen Abwicklung ist er aber nicht zufrieden. Der Datenaustausch mit Ländern und Bezirkshauptmannschaften funktioniert nur eingeschränkt - "es gibt kein einheitliches EDV-System". Darum weist die AMS-Statistik zwar mit Stand März 21.505 Bezieher einer Mindestsicherung aus, die auch Kunden des AMS waren. Aber: "Ob das alle sind, wissen wir nicht", sagt Buchinger.

Hintergrund dafür ist ein Problem, das in den jahrelangen Verhandlungen um die bedarfsorientierte Mindestsicherung nicht beseitigt werden konnte: der Kompetenzstreit. Das AMS ist zunächst nur für jene zuständig, die arbeitsfähig sind. Um alle anderen kümmern sich - wie bisher - die Sozialhilfestellen von Ländern und Gemeinden. Aber auch bei den Arbeitsfähigen ist die Sache komplizierter. Das AMS zahlt nur das Arbeitslosengeld aus. Ist es niedriger als die Mindestsicherung (derzeit zwölfmal 752,94 Euro), muss man wieder zum Sozialamt. "In Wahrheit hat sich beim Vollzug wenig geändert", kritisiert Martin Schenk, der Sozialexperte der Diakonie. Auch für Buchinger ist klar: "Kundenfreundlicher und effektiver wäre es sicher, wenn das nur eine Behörde machen würde. Wir könnten das am besten." Zusatz: "Aber im föderalen Österreich ist das nicht so einfach."

Weniger Geld

Bei der Caritas Wien hat man gar das Gefühl, jetzt gibt es mehr Bürokratie: "Es bekommen viele Leute einen Mindestsicherungsantragsformular, die gar keine Chance darauf haben." Positiv sei aber immerhin, dass es - im Gegenzug zur alten Sozialhilfe - jetzt schriftliche Bescheide gebe, sagt Schenk. Gegen einen Bescheid kann man berufen, bei einer mündlichen Ablehnung war das früher oft schwierig. Beim AMS vermisst er noch qualifiziertes Personal für besonders schwer vermittelbare Menschen.

Schenk beobachtet auch ein starkes Stadt-Land-Gefälle. "In den Städten läuft der Vollzug um einiges besser. Ganz schwierig ist es bei den BHs auf dem Land, die haben gar nichts getan." Dazu kommt: Noch immer haben nicht alle Bundesländer die entsprechenden Umsetzungsgesetze beschlossen. In Oberösterreich ist ein Entwurf gerade in Begutachtung. In der Steiermark wiederum wurde eine deutlich schlechtere Lösung beschlossen (siehe rechts) und der Regress wiedereingeführt. Auch aus anderen Ländern häufen sich die Berichte, wonach Hilfsbedürftige jetzt weniger im Geldbörsel haben als vorher - und das, obwohl es eigentlich ein "Verschlechterungsverbot" gibt.

Dass vieles im Laufe der Jahre wegverhandelt wurde, stellt auch Sozialexperte Walter Pfeil von der Uni Salzburg fest. Er war schon zu Beginn des Jahrtausends bei Verhandlungen dabei. Einwände, wonach die Mindestsicherung nicht zu nahe bei den Erwerbseinkommen liegen dürfe, hält er nicht für gerechtfertigt. Laut EU-Berechnungen ist man armutsgefährdet, wenn man weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens verdient. 2008 waren das 994 Euro - also um fast 250 Euro mehr als die Mindestsicherung.(Günther Oswald, DER STANDARD; Printausgabe, 12.4.2011)