St. Anton am Arlberg - Österreich steuert auf einen Personalengpass zu. Weil mehr Menschen aus dem Berufsleben ausscheiden, als Junge nachkommen, wird es in vielen Sektoren nicht genug Arbeitskräfte geben, um das System so am Laufen zu halten wie bisher. Speziell für die Tourismuswirtschaft könnte das fatal sein. Gäste, die Koffer selbst tragen, Getränke besorgen, Zimmer aufräumen müssen, weil es zu wenige Hausmeister, Servier- oder Etagenpersonal gibt, sind mögliche Szenerien.

"Es bedarf eines Bündels an Maßnahmen, um die Situation zu entschärfen", sagte Johannes Kopf, Vorstand des Arbeitsmarktservice, bei einem Tourismusseminar der Wirtschaftskammer in St. Anton am Arlberg. Stärkere Bildung gehöre ebenso dazu wie die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, was zur Sicherung der Pensionen ohnehin nötig sei.

Wettlauf um Zuwanderer

Durch die Anhebung der Frauenbeschäftigung mittels Ausbau ganztägiger Kinderbetreuungseinrichtungen ließe sich ein weiteres Arbeitskräftereservoir ausschöpfen. Als vierte Maßnahme komme gezielte Förderung von Zuwanderung ins Spiel. Da auch andere Länder in Europa unter demografischem Wandel leiden und stärker noch als bisher auf Zuwanderung angewiesen seien, kündige sich harter Wettbewerb um bestqualifizierte Einreisewillige an.

Dabei drängt die Zeit. "Wenn nichts geschieht, werden wir die Auswirkungen schon in zehn bis 15 Jahren spüren", sagte IHS- Arbeitsmarktforscher Dominik Walch. In einer gemeinsamen Studie haben das Institut für Höhere Studien und das Wirtschaftsforschungsinstitut errechnet, dass das Wirtschaftswachstum in Österreich bei Eintreten des Negativszenarios um ein bis zwei Prozentpunkte gedämpft wird.

Die Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes zum 1. Mai 2011 für EU-Bürger aus dem Großteil der neuen Mitgliedsländer dürfte kaum Verwerfungen am heimischen Arbeitsmarkt bringen. Alle einschlägigen Studien gehen von maximal 25.000 Menschen aus, die zusätzlich auf den Arbeitsmarkt drängen - bei insgesamt 4,3 Mio. Beschäftigten eine verkraftbare Zahl, wie auch Gewerkschafter Rudolf Kaske im Gespräch mit dem Standard eingesteht. Für Rumänien und Bulgarien gilt noch eine zweijährige Übergangsfrist bis 2013.

Während die Gewerkschaft aber weiter auf einer möglichst restriktiven Handhabung von Arbeitsbewilligungen für Menschen aus Nicht-EU-Ländern eintritt, will sich die Tourismuswirtschaft die Möglichkeit nicht nehmen lassen, im Bedarfsfall auch Personal aus sogenannten Drittstaaten anzuheuern. Saisonbeschäftigte, die zwischen 2006 und 2010 mindestens fünf Monate pro Jahr in Österreich beschäftigt waren, können sich ab Mai beim AMS als Stammsaisonniers registrieren lassen und erhalten eine Arbeitsbewilligung. Das Potenzial liege bei 3500 Personen, sagte AMS-Vorstandsdirektor Kopf. Zusätzlich wird es ein Drittstaatenkontingent geben, das Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner vor dem 1. Mai festlegen will. Die Branche rechnet mit 1300 bis 1500 Bewilligungen. (Günther Strobl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.4.2011)