Reykjavik - Die Isländer haben auch bei der zweiten Volksabstimmung Schuldenrückzahlungen für die Pleitebank Icesave aus der Staatskasse abgelehnt. Wie der TV-Sender RUV in Reykjavik am Sonntag nach Abschluss der Stimmenauszählung berichtete, stimmten 59,8 Prozent gegen eine von der Regierung ausgehandelte Vereinbarung zur Schuldentilgung an Großbritannien und die Niederlande. Die Wahlbeteiligung fiel mit 75,3 Prozent hoch aus.

Das Icesave-Abkommen hätte die Konditionen für die Rückzahlung von bis zu 3,9 Milliarden Euro an die Regierungen in London und Den Haag festgelegt. Diese hatten vor zweieinhalb Jahren die rund 300.000 Kunden der isländischen Icesave-Onlinebank zunächst im Rahmen ihrer nationalen Bankengarantien schadlos gehalten.

Sigurdardottir: "Denkbar schlechtester Ausgang"

Ministerpräsidentin Johanna Sigurdardottir sagte zu dem Ergebnis des Referendums, es sei der "denkbar schlechteste Ausgang". Ihre Regierung hatte sich für ein "Ja" eingesetzt. Sie hält eine Icesave-Einigung für unabdingbar, um den angestrebten Beitritt zur EU so schnell wie möglich zu erreichen. "Das Votum hat die Nation gespalten", so Sigurdardottir. Großbritannien und die Niederlande zeigten sich enttäuscht und wollen weitere Schritte koordinieren.

Nun wird die Frage aller Voraussicht nach vor Gericht geklärt werden müssen. Wirtschaftsminister Arni Pall Arnason sagte noch vor dem Vorliegen des endgültigen Resultats im isländischen Rundfunk in der Nacht auf Sonntag, er werde diesbezüglich am Montag Kontakt mit dem EFTA-Gerichtshof in Luxemburg aufnehmen und das weitere Vorgehen besprechen. Arnasson zufolge wird es keine weiteren Verhandlungen mit London und Den Haag über ein neues Abkommen geben.

März 2010: 93 Prozent Ablehnung

Bei einem ersten Referendum im März 2010 hatte eine Mehrheit von 93 Prozent die von der Regierung in Reykjavik ausgehandelten Rückzahlungsbedingungen abgelehnt. Kritisiert wurden vor allem hohe Zinsdienste. Die drei beteiligten Regierungen handelten dann im vergangenen Jahr günstigere Bedingungen für die isländische Seite aus. Dieses Abkommen wurde nun ebenfalls von den Isländern abgelehnt. Beide Male hatte das Parlament dem Abkommen der Regierung zugestimmt, beide Male hatte Staatspräsident Olafur Ragnar Grimsson ein Veto eingelegt und damit das Referendum notwendig gemacht.

Icesave war eine der isländischen Banken, die 2008 im Zuge der Finanzkrise zusammenbrachen. Während die Regierung in Reykjavik die isländischen Sparer für ihre Verluste entschädigte, gingen die ausländischen Bankkunden leer aus. Zu den Sparern zählten rund 400.000 Briten und Niederländer, die schließlich von ihren Heimatländern Entschädigungszahlungen erhielten. Großbritannien und die Niederlande fordern daher nun mehrere Milliarden Euro von Island.

Fall wird wohl bei Gericht landen

Die beiden Länder kündigten an, sich über die weiteren Schritte abzusprechen. "Es sieht so aus, als ob dieser Fall vor Gericht endet", sagte Großbritanniens stellvertretender Finanzminister Danny Alexander am Sonntag der BBC. Ähnliche Signale kamen aus den Niederlanden: Der Fall werde nun die Gerichte beschäftigen, sagte Finanzminister Jan Kees de Jager. "Die Zeit der Verhandlungen ist vorbei." Er zeigte sich zuversichtlich, dass die Niederlande letztlich ihr Geld zurückerhalten werden. Das Ergebnis des Referendums sei weder gut für Island noch für die Niederlande, fügte der Minister hinzu.

Die isländische Regierungschefin Sigurdardottir sagte: "Wir müssen alles tun, damit dieses Resultat nicht zu politischem und wirtschaftlichem Chaos führt". Zu einem möglichen Rücktritt äußerte sich die Politikerin am Sonntag zunächst nicht. Sie hatte gewarnt, dass eine Absage an einen Entschädigungsdeal mindestens ein bis zwei Jahre lang zu wirtschaftlicher Unsicherheit führen werde.

Das Abkommen mit Großbritannien und den Niederlanden gilt als eine Voraussetzung für den Erfolg der isländischen EU-Beitrittsverhandlungen. Außerdem sehen Volkswirte und Regierungsvertreter das Icesave-Gesetz als wichtigen Schritt auf dem Weg zur Genesung des von der Finanzkrise hart getroffenen Landes.

Auch Sigurdardottir kündigte an, dass der Fall nun rechtliche Folgen haben werde. Sie verwies auf das Gericht der Organisation, die die Beziehungen zwischen Island und der EU regelt. Diese EFTA-Aufsichtsbehörde (ESA) hatte im vergangenen Jahr in einem ersten Schritt erklärt, Island sollte die Icesave-Sparer entschädigen. (APA/Reuters)