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Rebellen bewachen Männer, die verdächtigt werden, Söldner aus dem Tschad zu sein.

Foto: AP/Frayer

Tripolis/Paris - Man habe ihm 30.000 Dollar geboten, wenn er bereit sei, Rebellen zu töten: Diese Zahl nannte Bashir Mohammed diese Woche gegenüber Journalisten an der tunesisch-libyschen Grenze. Er habe abgelehnt. In den Diensten des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi stand er zuvor jedoch allemal: Der junge Mann aus dem Tschad wird von arabischen Fernsehsendern als der erste Legionär präsentiert, der aus eigener Erfahrung über die Anheuerungspraktiken in Libyen berichtet.

Mohammed soll der tschadischen Präsidentengarde entstammen und von seinem Staatschef Idriss Déby an Gaddafi entlehnt worden sein - natürlich gegen klingende Münze. Französische Geheimdienstexperten rechnen damit, dass bereits 25.000 afrikanische Söldner in Gaddafis Diensten stehen. Und täglich kämen neue dazu.

Denn es hat sich in Afrika herumgesprochen, dass die libysche Armee spendabel ist. Mehrere hundert Dollar am Tag erhalten die Männer aus Sierra Leone, Niger, Mali oder dem Tschad. Unter den Söldnern sind auch wüstenerprobte Tuareg-Kämpfer.

Das Gros der Truppen stellen aber nach übereinstimmenden Berichten die Tschader. In einzelnen Abteilungen der libyschen Armee hätten sie gar die operative Leitung übernommen, wie ein Sprecher der libyschen Rebellen, Ahmad Beni, in der Pariser Zeitung Figaro berichtete. Dies erkläre die "Taktik à la tchadienne", die tschadische Taktik, mit wendigen Pickups schnelle Überfälle auf die Stellungen von Rebellen vorzunehmen.

Welche Anziehungskraft ein Tagessold von mehreren hundert Dollar ausübt, wird klar, wenn man in Rechnung stellt, dass das durchschnittliche Tageseinkommen im Tschad nicht einmal zwei Dollar beträgt. Ein Söldnerheer von 25.000 Mann geht ganz schön ins Geld: Mehr als zehn Millionen Dollar in cash fallen täglich an. Gaddafi hat offensichtlich die Mittel dazu.

Wie die New York Times mit Bezug auf Regierungskreise in Tripolis schreibt, verfügt Gaddafi in seinen Bunkern und in Bab Azizia über "Dutzende von Milliarden Dollar". Auch wenn diese Zahl schwer zu glauben ist, stellt niemand in Zweifel, dass der Clan des libyschen Despoten riesige Bargeldsummen zur Verfügung hat.

Begonnen habe Gaddafi mit der Anhäufung nach dem Ende der Wirtschaftssanktionen 2003, meint der französische Wirtschaftsanwalt William Bourdon, dessen Vereinigung Sherpa gegen Gaddafi Klage wegen "bandenmäßiger Geldwäsche" eingereicht hat. Um zu vermeiden, jemals wieder auf dem Trockenen zu sitzen, habe der libysche Oberst einen Teil der Erdölexporte nach 2003 buchhalterisch getarnt und sie von den Abnehmern in bar zahlen lassen. Dadurch sei ein Kriegsschatz zusammengekommen, der in Libyen und auf europäischen Bankkonten liege.

Italien schaut weg

Aus Brüssel sind nach belgischen Berichten große Geldbeträge auf Gaddafi-Konten im Tschad oder Sudan überwiesen worden. Und da die italienischen Behörden wegschauen, können libysche Emissäre nach wie vor mit Koffern voller Bargeldbündel nach Tripolis reisen, wie Bourdon meint. Von dort aus fließe es direkt an die Front in die Taschen der Söldner. Gegen diese pekuniäre Offensive sind die Lufteinsätze der Nato-Truppen ziemlich machtlos. (Stefan Brändle/DER STANDARD, Printausgabe, 9.4.2011)