Tex Rubinowitz und sein heiliger Besenaltar: "Manchmal, wenn ich nicht schlafen kann, komme ich in der Nacht hierher und schaue mir meine Besen an."

(Foto: Lisi Specht)

Foto: Lisi Specht

Tex Rubinowitz ist nicht nur Schriftsteller und Cartoonist, sondern auch begeisterter Besensammler. Und: Wojciech Czaja erfuhr vom großen Schatz im Otto-Wagner-Haus.

"Die Nische ist eigentlich eine Fensternische, doch das Fenster wurde zugemacht, und heute sieht sie aus wie ein dreidimensionaler Bilderrahmen. In der Nische hängt meine Besensammlung. Ich sammle schon seit mehr als 15 Jahren. Ich finde die Besensammlung schön. Sie könnte auch im Völkerkundemuseum hängen, aber sie hängt hier bei uns in unserer Wohnung.

Die Besennische ist gefährlich, denn sobald man einmal anfängt zu sammeln, besteht die Gefahr, dass die Wohnung in kürzester Zeit zuwuchert. Daher sagen wir all unseren Freunden sehr freundlich: Bitte bringt uns aus euren Urlauben keine Besen mehr mit! Es wuchert ja eh schon. Die Besen hängen mittlerweile sogar schon auf den Seitenflächen der Nische. Das ist nicht gut.

Ein lustiges Thema bei der Besensammlung ist die Pflege. Denn wenn diese schönen Saubermachinstrumente an der Wand hängen, dann fragt man sich, womit man dann die Besen denn saubermachen soll. Ich finde diese Frage sehr lustig. Daher wischen wir gar nicht. Der größte Staubfänger ist übrigens der weiße Plastikbesen ganz oben aus Kasachstan. Eigentlich ist er nicht mehr weiß, sondern grau. Ich glaube, den werde ich demnächst wegschmeißen.

Die Besen sind alle unterschiedlich. Einige sehen aus wie Zahnbürsten für Riesen, andere wie ganz normale Besen vom Markt. Es gibt einen Massageklöppel aus Marokko, eine Saunapeitsche aus Finnland und einen klassischen Autobesen aus der Schweiz. Ansonsten gibt es noch Besen aus Bananenstauden, Besen aus Reisig, Besen aus Drähten, Besen aus Bulgarien, Besen aus Pakistan und Besen aus Japan.

Warum Besen? Das hat keinen bestimmten Grund. Das hat nichts mit guten Geistern oder irgendwelchen Saubermach-Neurosen zu tun. Am ehesten geht es um das Prinzip des Seriellen. Diese Gruppierung zu einem altarhaften Bild in der Küche macht mich nachdenklich. Manchmal, wenn ich nicht schlafen kann, komme ich in der Nacht hierher, mache das Licht an und schaue mir meine Besen an. Ich finde das beruhigend.

Es hängen auch einige andere exotische Sachen an der Küchenwand: Schuhcremen, Ohrenputzer und diverse andere skurrile Gegenstände in skurrilen Verpackungen. Wenn wir Freunde zu Besuch haben, dann haben sie immer Spaß mit unseren Wänden. Die Küche ist eben der kommunikativste Ort in der Wohnung. Und das liegt nicht nur am Essen.

Ich mag es, wenn Freunde hier sind. Am liebsten mache ich dann in einem anderen Raum Musik an, dann dringen Tonfetzen aus der Entfernung in die Küche. In Kombination mit dem Brummen unserer zwei Kühlschränke – nein, wir essen nicht koscher – und den vielen Geigen- und Gesangsstimmen unserer Nachbarn ergibt das so einen schönen vermischten Klangteppich. Dann ist die Küche ein Resonanzraum.

Besonders gut gefallen mir die Kacheln auf dem Boden. Das ist ja ein Otto-Wagner-Haus, muss man wissen, und der Otto Wagner hatte ja, wie man auch weiß, ein Faible für Kacheln. Nur leider wurde der gesamte Boden in den Siebzigerjahren von irgendwelchen unsensiblen Vormietern mit Linoleum vollgeklebt. Wir mussten tagelang kratzen, um die Kacheln wieder sauberzukriegen. Das war viel Arbeit.

Das Schönste daran, dass wir in Otto Wagners ehemaligem Wohnhaus wohnen, ist die Tatsache, dass man hier bisweilen Gold unter dem Sofa findet. Eines Tages wurde das Nachbarhaus saniert. Am Ende wurde die Fassade mit Blattgold bestrichen. Bei einem Windstoß flog eines dieser Goldblättchen um die Ecke zu uns ins Wohnzimmer herein. Da habe ich mir dann gedacht: Gold unterm Sofa ... Das passiert in anderen Wohnungen nicht!" (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9./10.4.2011)