Detektivfotos von Bordellbesuchen, Peilsender unter Autos: Der Kampf um die lukrativen AMS-Millionenetats im Schulungsbereich wird immer härter. Ein Opfer fürchtet um die Familie und berichtet von neuen Beschattungen.

Graz – Stephan Sticher ist über das Getratsche in der Branche empört: "Was? Ich soll das gewesen sein? Also bitte, ich meine, mit diesen Dingen haben wir absolut nichts zu tun. Da distanzieren wir uns. Es ist ein Wahnsinn, dass ich jetzt durch den Dreck gezogen werde."

Auch Sticher, der Chef des Schulungs-Unternehmens Bit hat eigenen Worten nach "keine Ahnung", wer hinter der ominösen Bordell-Detektivüberwachung steht. Fotos einer Observierung des steirischen Chefs des Arbeitsmarktservices, Heinz Snobe, und des Leiters des privaten Schulungsbetriebes Alea zeigen beide bei einem Nachtclubbesuch in Wien. Die Bilder waren letzte Woche an die Öffentlichkeit gespielt worden. Sticher legt im STANDARD-Gespräch die Spur nach Wien: "Die ganze Branche ist momentan in Aufruhr, vor allem in Wien. Weil große Bieter auch in Graz mitgetan haben und nicht zum Zug gekommen sind."

In der steirischen Szene, die eher davon ausgeht, dass die Detektivüberwachung – an einem Auto wurde ein Peilsender angebracht – von einem der Ihren beauftragt wurde, wird indessen spekuliert, dass nicht der AMS-Chef Snobe Ziel der Observierung war, sondern sein Bordellbegleiter Andreas Hammerschmied, der früher bei Stichers Bit gearbeitet und 2008 den Schulungsbetrieb Alea mitgegründet hatte. Alea, ein kleiner Player, hat sich in letzter Zeit bei Ausschreibungen – als Teil eines Bieterkonsortiums – ins Spiel gebracht.

"Großer Kampf" in der Szene

Hammerschmied im Gespräch mit dem STANDARD: "Mir wurde zugetragen, dass wir nach wie vor beschattet werden. Ich habe ein ganz furchtbares Gefühl, vor allem wegen meiner Familie, man weiß ja nicht, aus welchen Kreisen das kommt und wohin das abzielt. Der Kampf in der Szene ist sehr groß, seit das AMS die Strategie auf Großprojekte umgestellt hat. Weil jetzt geht es um große Etats. Man hört, dass die Branche in ganz Österreich aufgewühlt ist."

Es geht tatsächlich um viel Geld. Mit Beginn der Krise ist die Beraterszene rapid angewachsen. Neben den großen Nonprofit-Organisationen – dem schwarzen Wifi und dem roten BFI – sind Dutzende private Bildungsfirmen entstanden. Über das AMS flossen dreistellige Millionenbeträge in diese Einrichtungen. Allein in der Steiermark, dem momentan offenbar am heißesten umkämpften Markt, werden jährlich rund 60 Mio. Euro für Schulungsprogramme verteilt. Österreichweit wurden zuletzt knapp 700 Mio. Euro für Qualifizierungsmaßnahmen in den Schulungsmarkt gepumpt. Jetzt, da die Konjunktur wieder anspringt, werden die AMS-Etats zurückgeschraubt, die Kuchen kleiner. Mehr ehemalige Arbeitslose sind wieder im Job, die in den letzten Jahren aus dem Boden gestampften privaten Bildungsbetriebe klagen nun über Auslastungsprobleme. (Walter Müller, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9./10.4.2011)