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Haben viel zu flüstern: Eurogruppenchef Juncker und Währungskommissar Rehn.

Foto: Reuters/Balogh

Die Finanzlage in Portugal wird zum Notfall der EU: Binnen vier Wochen muss ein 80-Milliarden-Hilfspaket unter Dach und Fach sein. Sonst wäre das Land Mitte Juni bankrott, es verliert seine Souveränität.

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Portugal könne die im April und Mai fälligen Geldaufnahmen von den Märkten zur Finanzierung von Staatsaufgaben gerade noch bewältigen.Eine am 15. Juni fällige Tranche von neun Milliarden Euro wäre für die Übergangsregierung von José Socrates aus eigener Kraft aber nicht mehr zu stemmen.

Das war im Kern die düstere Botschaft, die der portugiesische Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos am Freitag beim informellen Treffen der EU-Finanzminister auf Schloss Gödöllö bei Budapest überbrachte. Noch vor den Wahlen am 5. Juni müssten die Partner aus Eurozone, EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) dem Land zu Hilfe eilen, so dos Santos. Sonst drohe die Zahlungsunfähigkeit - mit dramatischen Folgen für die ganze Eurozone, berichtete ein Teilnehmer.

Kein Handlungsspielraum

Die Minister aus Eurozone und EU, EU-Währungskommissar Olli Rehn und der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, reagierten darauf mit einem an Härte noch nie dagewesenen Beschluss: Portugal wird ab sofort nicht nur fiskalisch und wirtschaftlich, sondern auch politisch de facto unter Kuratel gestellt. Wer immer das Land nach den Wahlen im Juni regieren wird, er wird politisch praktisch keinerlei Handlungsspielraum haben.

Der einstimmig verabschiedete Plan: Ab sofort sollen Experten von EU, EZB und IWF ein Rettungspaket für Portugal erarbeiten. Dafür haben sie nur vier Wochen Zeit. Es muss beim EU-Finanzministertreffen am 16. Mai formal beschlossen werden. Nur dann kann aus dem Rettungsfonds (EFSF) Geld für Kredite fließen. Laut EFSF-Chef Klaus Regling braucht der Fonds zehn Tage, um das Geld aufzutreiben.

Das im Gegenzug notwendige Rettungspaket soll ein umfassendes Spar- und Restrukturierungskonzept beinhalten, das in seiner Konsequenz über jenes Sparpaket hinausgeht, an dem die Regierung im März im Parlament gescheitert war. Laut Rehn werde es auf drei Jahre ausgelegt sein und "sehr, sehr vorsichtig geschätzt" 80 Milliarden Euro an Hilfskrediten umfassen. Es kann auch mehr sein.

Beinhartes Sparprogramm

Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker erklärte, was man von Lissabon erwarte: "Ehrgeizige Fiskalpolitik" , um das Land nachhaltig stabil zu machen, sprich ein beinhartes Sparpaket; wachstumsfördernde Maßnahmen, um den Arbeitsmarkt flexibler zu machen, die Wettbewerbsfähigkeit, die Innovation zu fördern, "ehrgeizige Privatisierungsprogramme" , Abbau bei Staatsausgaben; und schließlich Maßnahmen, um den Finanzsektor abzusichern.

Wie dramatisch die Lage ist, zeigte sich daran, dass nicht nur die Regierung, sondern auch die konservative Opposition eingebunden wird. Auch die Opposition müsse sich jetzt "verpflichten, das Paket nach der Wahl umzusetzen" , erklärte Juncker. Derartiges hat es noch nie gegeben. Staatssekretär Reinhold Lopatka, der Finanzminister Josef Pröll vertrat, sagte, dies sei sicher "ein Problem und Neuland" . Die portugiesische Opposition habe dies auch angekündigt. Lopatka: "Wenn ein Staat zulässt, dass es in eine solche Situation kommt, dann verliert es Souveränität." (Thomas Mayer aus Gödöllö, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9./10.4.2011)