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ÖFB-Präsident Leo Windtner ist nach den 0:2-Niederlagen gegen Belgien und die Türkei gezeichnet. Der Schaden, sich nicht für die EM zu qualifizieren, sei enorm. Teamchef Constantini sitzt bereits im Hintergrund. Eine Vertragsverlängerung ist praktisch auszuschließen.

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Standard: Haben Sie sich schon damit abgefunden, dass Österreich die EM praktisch verpasst hat?

Windtner: Abgefunden ist der falsche Ausdruck. Aber die absolute Zuversicht ist natürlich dem Realismus gewichen.

Standard: Welche Folgen hat das Scheitern für den ÖFB?

Windtner: Negative. Eine Teilnahme hätte für das Team einen Riesensprung in Richtung Weiterentwicklung bedeutet. Das Selbstwertgefühl der Spieler wäre gestiegen. Und eine finanzielle Chance wurde vergeben. Eine größere materielle Basis lässt andere Möglichkeiten in Bezug auf die Entwicklungsarbeit zu.

Standard: Teamchef Dietmar Constantini steht in der Kritik. Warum halten Sie ihm die Stange?

Windtner: Weil es keinen Sinn macht, alle zwei Monate aufs Neue eine Teamchef-Diskussion zu führen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass der österreichische Fußball Möglichkeiten nach oben hätte, diese aber nicht abgerufen werden. Das ist ein Teil unserer gequälten Seele. Wir sehnen den Erfolg herbei, und er tritt nicht ein. Vor dem Belgien-Spiel hat es eine unglaubliche Begeisterung der Fans gegeben. Die Enttäuschung nach dem 0:2 war dann doppelt groß. Und ich kann sie voll verstehen.

Standard: Verlängern Sie nicht einen Fehler? Man könnte doch eine Personalentscheidung, die Sie vor rund zwei Jahren getroffen haben, korrigieren.

Windtner: Es wäre überzogen, dies zum jetzigen Zeitpunkt als falsche Personalentscheidung zu taxieren. Ein Teamchef, auch Constantini, muss die Chance haben, durch ein Tief zu schreiten. Aber er muss daraus auch lernen.

Standard: Die taktischen Mängel sind offensichtlich. Spieler beschweren sich hinter vorgehaltener Hand über die Qualität des Trainings, sie vermissen Anweisungen und sprechen von einem Kulturschock, wenn sie zum Team stoßen. Dringt das nicht bis zum mächtigen Präsidenten durch?

Windtner: Es dringt über die diversen Kommunikationsschienen viel durch. Ich kann aber Mauscheleien nicht öffentlich kommentieren.

Standard: Das Team macht keine Fortschritte. Obwohl auch Sie ab und zu das Gegenteil behaupten. Die Bilanz ist schlecht, sechs Siege, zehn Niederlagen, zwei Remis. Gewonnen wurden Heimspiele gegen Größen wie Färöer, Litauen, Kasachstan und Aserbaidschan. Okay, es gab ein glückliches 2:1 gegen schwache Rumänen und ein 2:1 gegen ersatzgeschwächte Dänen in einem Test. Ein toller Fortschritt?

Windtner: Unbestritten, dass gerade die letzten zwei Matches ein Rückschlag waren. Fußball-Österreich erwartete die nächsten Schritte. Auch ich. Das Gegenteil trat ein.

Standard: Wühlen wir weiter. Es gibt kein Team-Building. Der harmlose Ivanschitz wird verbannt, der arrogante Arnautovic, der sich auf und neben dem Platz völlig daneben benimmt, gefördert. Da rennt doch etwas schief.

Windtner: Ganz klar und deutlich zu Arnautovic: Was in der Kabine geschieht, ist Hoheitsgebiet des Teamchefs. Er hat mir berichtet, dass die Vorfälle nicht sanktionswürdig waren, weil sich Arnautovic für den verbalen Angriff auf Maierhofer entschuldigt hat. Außerhalb der Kabine wurde die Grenze auch nicht so überschritten, dass der Präsident hätte eingreifen müssen. Ich setze sicher keine Pseudo-Disziplinarmaßnahmen. Aber Arnautovic wird sich zusammenreißen müssen.

Standard: Und Ivanschitz?

Windtner: Das ist die Entscheidung des Teamchefs, da kann man ihm nicht ins Steuer greifen.

Standard: Constantini antwortete auf die Frage, ob der Betreuerstab nach dem Abgang von Heinz Peischl nicht zu klein und ein Assistent, Manfred Zsak, zu wenig sei, so: 'Früher habe ich mit Peischl geredet, und der Zsak ist danebengestanden. Jetzt rede ich halt mit Zsak.' Kann das der Qualitätsanspruch sein?

Windtner: Das möchte ich nicht kommentieren, jeder hat einen anderen Arbeitsstil. Aber leicht befremdlich ist es schon.

Standard: Bei verpasster EM-Qualifikation ist aber davon auszugehen, dass die Verträge mit dem Betreuer nicht verlängert werden.

Windtner: Das will ich nicht vorwegnehmen. Warten wir ab, bis sie entschieden ist. In der jetzigen Situation ist zwar keine lähmende Ruhe notwendig, aber doch eine vernünftige Beruhigung.

Standard: Was hätte in der Türkei passieren müssen, um zu handeln? Das 0:2 hat nicht gereicht.

Windtner: Sie müssen mir zugestehen, dass ich nicht im Konjunktiv argumentiere. Diese Niederlage war kein Desaster.

Standard: Themenwechsel. Die Liga leidet unter einem Zuschauerschwund, die Erfolge im Europacup waren bescheiden. Der LASK, einer der wenigen Traditionsklubs, steigt vermutlich ab. Keine rosigen Aussichten.

Windtner: Die Lage des LASK trifft mich als Oberösterreicher und als Verantwortlicher für den Fußball. Der LASK hätte ein Wirtschaftsland im Rücken, aber er lässt sich nicht positionieren. Mein Job ist es nicht, in Klub-Agenden einzugreifen. Als Sponsor kann man freilich nicht zufrieden sein.

Standard: Das Niveau ist gesunken. Man könnte dagegenhalten, dass immer mehr Spieler im Ausland unterkommen. Die Zahl der Legionäre ist tatsächlich gestiegen, allerdings nehmen nur ganz wenige tragende Rollen ein. Seit Jahren hört man von den tollen Generationen, der hervorragenden Nachwuchsarbeit. Ist das nicht eine gefährliche Schönfärberei?

Windtner: Die Lage ist nicht gefährlich, da die Spieler im Ausland auf einem guten Weg sind. Wir tendieren in Österreich immer dazu, sollte einiges schieflaufen, zu sagen: The loser takes it all. Die Situation ist insofern prekär, als einerseits die Spitzenklubs heuer international kaum reüssierten und es andererseits Vereine wie Kapfenberg oder Wiener Neustadt gibt, die zwar tolle Arbeit leisten, aber nicht das wirtschaftliche Potenzial und das Umfeld für echte Attraktivität haben. Es fehlen Mannschaften wie der GAK und vielleicht bald auch der LASK. Gott sei Dank ist Wacker Innsbruck zurückgekehrt.

Standard: Noch eine Skurrilität. Der ÖFB wollte das Cupfinale in Klagenfurt austragen, es wurde baubehördlich nicht erlaubt. Man muss ins Happel-Stadion ausweichen.

Windtner: Das ist skurril und schade zugleich, weil wir uns am Wörthersee stets gut beheimatet gefühlt haben. Was es da an Schriftverkehr mit Klagenfurt gegeben hat, füllt Schränke. Absolut absurd.

Standard: Blicken wir in die große Welt. Michel Platini bleibt Präsident der Uefa, er war in Europa der einzige Kandidat. Der ÖFB musste sich nicht deklarieren. Anfang Juni wählt der Weltverband Fifa. Amtsinhaber Sepp Blatter wird von Mohamed bin Hammam aus Katar herausgefordert. Wen wählen Sie?

Windtner: Platini war klar, den schätzen wir. Bin Hammam befindetet sich auf Wahlkampftour, die Briten hat er wohl schon auf seiner Seite. Ich glaube, dass sich alle abwartend verhalten. Nach derzeitigem Stand tendiert Europa aber eher zu Blatter.(Christian Hackl, DER STANDARD Printausgabe, 9./10. April 2011)