"Die Gleichgültigen" am Schauspielhaus Salzburg.

Foto: SSH Salzburg

Salzburg - Ein Wohnzimmer, zwei Fauteuils, ein Tisch, ein Fenster mit Blick nach draußen auf eine Pflanze. Während der Aufführung ändert sich an diesem Szenebild nichts. Nur Beleuchtungswechsel schaffen neue Szenen. Die junge österreichische Regisseurin Nora Hertlein hat Alberto Moravias Roman Die Gleichgültigen (1929) dramatisiert und als Kammerspiel mit fünf Figuren am Schauspielhaus Salzburg inszeniert.

Moravia zeigt das Psychogramm einer Familie, in der vor allem die Geschwister Michele und Carla an Ereignislosigkeit leiden, sich nach Veränderung im Leben sehnen. Doch sie haben nicht die Kraft, sich aus ihrer Lethargie zu befreien. Sie können weder hassen noch lieben, sie haben sich in ihrer Halbherzigkeit eingenistet.

Auch Mutter Mariagrazia ist gefangen in ihrer Eifersucht und leugnet Realitäten. Sie klammert sich an ihren Liebhaber Leo. Doch der hat ein Auge auf Carla geworfen, während sich Mariagrazias Freundin Lisa an Michele heranmacht, der als Einziger einen Ausweg sucht, doch stets scheitert.

So beginnt ein dekadentes Intrigenspiel um Abhängigkeit, Täuschung und Selbstbetrug, in dem jeder seinen Vorteil sucht - und alle auf der Strecke bleiben.

Moravias Lied von Gleichgültigkeit und Orientierungssuche besitzt einen Bezug zur Moderne. Nora Hertlein macht daraus aber wenig. Zu sehr im Mittelpunkt des Geschehens stehen die Eifersuchtsszenen von Mariagrazia (Ulrike Arp). Es mangelt an beklemmenden Dialogen und am verdichteten Erzählduktus, wie ihn Moravia verwendet.

Das Ensemble zeigt ein Spiel zwischen Ironie, Aggression und Enttäuschung, das im Widerspruch zum Stücktitel steht: Volker Wahl als erregter Möchtegerncasanova Leo, Ulrike Arp in der Rolle als hysterische Mutter, Christiane Warnecke als gelangweiltes Gör, Thomas Pfertner als ihr verstörter Bruder Michele und Daniela Enzi als Mitläuferin Lisa.

Gefrorene Szenen

Tangomusik legt einen melancholischen Teppich über das Stück, wirkt wie ein Gegenpol zur Unfähigkeit dieser Menschen, Gefühle zu empfinden. Während der Aufführung blitzt es immer wieder. Man denkt an Fotoblitze, denn die Darsteller halten inne und vermitteln so den Eindruck eines Bildes, eingefroren in ihrer Trägheit, etwas ändern zu wollen. Als Beobachter fühlt man sich, als blättere man in einem befremdlichen Familienalbum. Vielleicht die beste Idee Hertleins.

Auch als Michele Leo töten will, kommt keine Spannung auf. Er drückt mehrmals ab, doch man ahnt es schon, der Revolver ist nicht geladen. Wieder scheitert Michele und sackt zu Boden. In einer fiktiven Gerichtsverhandlung mit Leo als Richter und den übrigen Darstellern als Zeugen wird Michele zu lebenslanger Gleichgültigkeit verurteilt. Wieder blitzt es. Dann wird es finster. Schluss. Verhaltener Applaus. (Christian Weingartner, DER STANDARD - Printausgabe, 9./10. April 2011)