Was es bedeute, behindert zu sein - das kann auch Coach und Rollstuhlfahrer Michael Sicher nach praktischen Gesichtspunkten nur schwer beantworten. So viel aber schon: Die Bilder von Behinderung machen in der Begegnung mit Nichtbehinderten entweder größer oder kleiner - zu Begegnung auf Augenhöhe kommt es selten. Überzeugt ist er, "dass noch immer zu viele Unternehmen auf qualifizierte und motivierte Mitarbeiter verzichten", weil ihnen ihre Bilder von Behinderung im Wege stehen.

Der Coach wünscht sich, dass in puncto Berufschancen alle Beteiligten ihre Anforderungen, Möglichkeiten und Bedenken auf den Tisch legen, um gemeinsame Chancen zu entdecken - allzu oft kommt es so weit aber gar nicht. Und wenn, dann sind der unausgesprochenen Fragen viele, etwa: Wie viel Leistung darf ich verlangen? Kann ich glauben, dass der einzige Niederflur-Bus davongefahren ist? Welche Hilfe soll ich wann anbieten - soll ich überhaupt die Hand hinstrecken, wenn das übliche Handschütteln offensichtlich nicht möglich ist?

In seinen Workshops "Die andere Seite" lässt Sicher die Teilnehmer seitenwechseln in den Rollstuhl und bringt so Unausgesprochenes hervor, macht sensibel für ein Anderssein. Derzeit plant er ein Projekt quasi top-down: Er lädt Vorstandschefs ein, sich einen Tag im Rollstuhl durch Wien zu bewegen. (kbau, DER STANDARD, Printaufgabe, 9./10.4.2011)