Matt und geschlagen trat der portugiesische Premier José Sócrates vor die Fernsehkameras. "Ich habe im letzten Jahr alles getan, damit dies nicht eintritt", erklärte der Sozialist seinem Volk, dass fortan die EU mit ihrem Rettungsschirm die Kontrolle über Portugals Wirtschaft übernehmen wird. "Für mich war ein Hilfsgesuch immer der allerletzte Schritt. Wenn wir jetzt nicht diese Entscheidung fällen würden, würde dies das Land einem schweren Risiko aussetzen", fügte Sócrates in seiner Ansprache am Mittwochabend hinzu.

Es war der letzte Akt in der angekündigten Finanzkatastrophe. Am 23. März verweigerte das portugiesische Parlament dem in Minderheit regierenden Sozialisten die Gefolgschaft für ein viertes Sparpaket in nur einem Jahr. Sócrates trat zurück, Neuwahlen wurden angesetzt. Die Ratingagenturen stuften das ärmste Euroland weiter ab, die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen stiegen zeitweise auf über zehn Prozent. Als dann auch noch die portugiesischen Geldinstitute ankündigten, keine Staatsanleihen mehr zu kaufen, war Portugal am Ende.

Zwischen 75 und 85 Milliarden Euro wird die Rettung wohl kosten. Zwei Drittel des Betrages sollen aus Brüssel kommen, ein Drittel vom Internationalen Währungsfond (IWF). Die portugiesische Regierung schickte noch am Donnerstag ihr offizielles Hilfsgesuch nach Brüssel. Die erste Geldtranche soll bereits vor dem Wahltermin im Juni ausbezahlt werden. Profitiert von dem Gesuch haben die großen portugiesischen Banken. Die Börsenkurse von Espirito Santo, Banco BPI und der BCP zogen kräftig an.

In Europa waren die Reaktionen gespalten. Während der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble von einem vernünftigen Schritt sprach, übte Schwedens Finanzminister Anders Borg heftige Kritik. "Die hätten schon viel früher Hilfe beantragen sollen. Sie haben sich selbst und Europa in eine sehr schwierige Lage gebracht", schimpfte Borg in Stockholm. Schweden gehört nicht zur Euro-Zone, beteiligt sich aber an der Stützung Irlands.

Gespaltenes Land

Die Bevölkerung in Portugal ist ob des Hilfsgesuches uneins. Laut einer Blitzumfrage der Tageszeitung Diário de Noticías begrüßen 39 Prozent die Entscheidung. Ebenso viele lehnen sie aber ab. 46 Prozent glauben, dass das Land in einem Jahr noch schlechter dastehen wird als derzeit.

Die beiden großen Parteien des Landes, die regierende Sozialistische Partei (PS) und die konservative Sozialdemokratische Partei (PSD), schieben sich derweilen gegenseitig die Schuld für den Gang nach Brüssel zu. "Sie glaubten, dass sie der Regierung das Bein stellen würden und stellten dem ganzen Land das Bein", bezichtigte der Minister für Parlamentsangelegenheiten Jorge Lação die Konservativen, mit deren Hilfe die ersten drei Sparpakete durchs Parlament gingen.

Die noch oppositionelle PSD, die mit ihrem Nein zum vierten Sparpaket die Regierung zu Fall gebracht hatte, gab sich dagegen ganz staatsmännisch. "Das Hilfsgesuch hat zur Folge, dass die Portugiesen ruhiger leben können", erklärte PSD-Vorsitzender Pedro Passos Coelho. Die PSD werde alles tun, damit die Übergangsregierung von Sócrates einen "würdigen Hilfsrahmen" aushandeln könne. Es sei jetzt nicht die "Zeit für Kritik und Schuldzuweisungen", sagte Passos Coelho.

Mit Sorge schauen die Spanier auf das, was im benachbarten Portugal geschieht. "Wer ist der Nächste?", fragt El País, die größte Tageszeitung des Landes. Die Zahlen sind besorgniserregend. 34 Prozent der öffentlichen und privaten Kredite in Portugal wurden bei spanischen Banken aufgenommen. Die Gesamtsumme beläuft sich auf sieben Prozent der spanischen Wirtschaftsleistung. Kein Land ist so stark mit Portugal verbunden wie Spanien. Zudem sind 1400 spanische Unternehmen im Nachbarland tätig. Die sinkende Kaufkraft der Portugiesen wird sie hart treffen.

Doch nicht nur Spanien macht sich Sorgen. Die größten Gläubiger des portugiesischen Staats in der Bankenbranche sind französische Institute mit einem Exposure von 11,27 Milliarden Euro. Den österreichischen Geldhäusern schuldet Portugal 433 Millionen. (Rainer Wandler, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8.4.2011)