Rio de Janeiro - Ein Amokläufer hat in einer Schule in Rio de Janeiro mindestens 12 Schüler erschossen und sich anschließend selbst getötet. Nach Angaben der Zeitung "O Globo" starb am späten Abend ein 13-Jähriger im Krankenhaus an seinen schweren Verletzungen.

Der Täter, ein 24 Jahre alter Mann, dürfte ein ehemaliger Schüler des Tasso da Silveira Gymnasiums gewesen sein. Er soll unter dem Vorwand, eine Rede vor Schülern zu halten, in die Schule gekommen sein. Laut einem Zeugen schoss er bereits vor dem Gebäude um 8.30 Ortszeit mit zwei Kaliber 38 Revolvern einem Buben in den Kopf, einen weiteren traf er am Arm. Danach stürmte er in den ersten Stock der Schule in ein volles Klassenzimmer und eröffnete dort das Feuer auf die elf- bis 13-jährigen Kinder.

Über 30 Schüsse will ein Nachbar gehört haben, der vis-à-vis der Schule wohnt. Blutende Kinder flüchteten aus dem Gebäude, erzählt er dem Guardian. Als die Polizei mit mehreren Einsatzwagen und einem Hubschrauber eintraf, richtete sich der Täter selbst. Laut Polizei hinterließ er einen wirren Abschiedsbrief.

"Ein echtes Massaker"

"Es war ein Massaker, ein echtes Massaker. Ich habe noch nie etwas derartiges gesehen, ich kannte so etwas nur aus den USA", sagte ein Feuerwehrmann. Die Ablehnung der Gewalttat vereine die Brasilianer, sagte Präsidentin Dilma Rousseff am Donnerstag unter Tränen.

Immer wieder kommt es an Schulen zu Amokläufen. Sie seien beliebte Ziele, da dort mit vergleichsweise wenig Aufwand eine große Wirkung erzielt werden könne, zudem sei die Schule jener Ort, an dem junge Menschen häufig Kränkungen erfahren, sagte der deutsche Psychiater Lothar Adler in einem STANDARD-Interview nach dem Amoklauf im deutschen Winnenden bei Stuttgart. Im März 2009 hatte dort ein 17-jähriger Schüler 15 Menschen erschossen, auf der Flucht vor der Polizei richtete er sich selbst.

Die Waffe hatte er seinem Vater gestohlen, einem begeisterten Sportschützen, der den Buben immer wieder in den Schützenverein mitgenommen hatte. Der Vater war im Februar 2011 wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung zu einem Jahr und neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, ein Berufungsverfahren gegen das Urteil läuft derzeit.

Zum einzigen Amoklauf an einer österreichischen Schule kam es im Mai 1997: Der 15-jährige Helmuth Z. erschoss mit der Magnum seines Vaters eine Lehrerin und verletzte eine weitere schwer.

Erklärungen zu Motiven von Amokläufern sind unter Wissenschaftlern umstritten. Bereits die genaue Definition gilt als schwierig. Experten gehen davon aus, dass zwischen 40 und 70 Prozent der Täter unter psychischen Problemen leiden, statistische Auswertungen zeigten, dass etwa sieben Prozent psychiatrische Patienten waren. Nur fünf Prozent aller Amokläufer sind Frauen. Die wohl "berühmteste" Amokläuferin ist die Schülerin Brenda Spencer, die 1979 in San Diego vom Schlafzimmerfenster auf ihre Schule feuerte. Zwei Menschen starben, acht wurden verletzt. Nach dem Motiv befragt, sagte sie: "I don't like mondays". (red/DER STANDARD, Printausgabe, 8.4.2011)