Im Jahr 2004 reiste ich als Leiter einer überparteilichen Kongress-Delegation nach Libyen, um Colonel Gaddafi unsere Anerkennung für seinen Entschluss zu übermitteln, das libysche Atomwaffenprogramm einzustellen. Weder das Weiße Haus noch ich wollten Gaddafi aber jemals als Person unterstützen, unser Ziel war es vielmehr, eine neue Ära der Zusammenarbeit zwischen der US-Regierung sowie amerikanischen Unternehmen und den Libyen selbst einzuleiten.

Sieben Jahre später bin ich wieder in Libyen, diesmal in ganz anderer Mission, als Leiter einer kleinen privaten Delegation, auf Einladung von Gaddafis Chefsekretär und mit Wissen der Obama-Regierung sowie diverser Kongressmitglieder beider Parteien. Zweck unseres Besuches ist es, Gaddafi zu treffen und ihn dazu zu überreden, zurückzutreten.

Es steht außer Frage,, dass Amerika eine entscheidende Rolle dabei spielen sollte, Libyen beim Aufbau einer neuen Regierung zu helfen. Bedauerlicher Weise hat Washington in den Jahren nach meiner ersten Reise alle Gelegenheiten ungenutzt gelassen, dieses Ziel ohne Blutvergießen zu erreichen. Aber wie wir bei anderen Anlassfällen gelernt haben, liegt der Schlüssel für die Durchsetzung von Reformen in einem fremden Land darin, das Einvernehmen mit den nachkommenden Führern zu suchen.

Genau das hatten wir auch in Libyen vor. aber die Bemühungen um ein koordiniertes Vorgehen in dieser Sache in Absprache zwischen US-Kongress und libyschen Abgeordneten sind nie vom Fleck gekommen. Auch der Plan, internationale NGOs nach Libyen zu bringen, um zivile Institutionen aufzubauen, hat sich nie materialisiert.

Da sowohl Bush als auch Obama es verabsäumt haben, diese ersten Initiativen auszubauen, haben wir heute kaum Kontakte außerhalb des Gaddafi-Clans - und keine Strategie, wie es nach Gaddafi weitergehen soll.

Noch aber ist es, auch wenn noch immer Bomben auf Libyen fallen, nicht zu spät zu handeln. Als erstes müssen wir Gaddafi von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten und ihn dazu bringen, abzudanken, Ich habe ihn oft genug getroffen, um zu wissen, dass es kaum möglich sein wird, ihn durch Bomben dazu zu bewegen.

Gleichzeitig müssen wir einen sofortigen Waffenstillstand unter UN-Kontrolle durchsetzen - verbunden mit einem Rückzug der libysche Armee aus den derzeit von ihr besetzten Städten und der Zusicherung der Rebellen, ihre Vorstöße einzustellen. Danach müssen wir das Einvernehmen mit jenen Persönlichkeiten suchen, die pragmatisch und reformorientiert genug sind, um das Land führen zu können.

Vorstellbar wäre etwa ein Treffen zwischen Premierminister Mahmudi, dem Chef des Nationalen Übergangsrates Jalil und dem libyschen UN-Gesandten al-Khalib, mit dem Zweck, einen Fahrplan für faire Wahlen zu erstellen und ein Komitee zu gründen, das neue gesetzliche Rahmenbedingungen ausarbeitet.

Gaddafis Sohn Saif könnte bei der Formulierung der Verfassung in so einem Komitee eine konstruktive Rolle spielen. Der jüngere Mr. Gaddafi hat sich zwar mit seinen aggressiven Äußerungen über die Rebellen Feinde gemacht, zugleich aber war er es, der seine Regierung dazu gebracht hat, Verantwortung für die Bombenanschläge gegen die Pan Am in Schottland und eine Diskothek in Deutschland zu übernehmen und Kompensationszahlungen an die Familien der Opfer zu leisten. Und er war auch die treibende Kraft bei der Befreiung der bulgarischen Nonnen, die in Libyen zweimal zum Tod verurteilt worden waren.

Alle Welt ist dafür, dass Gaddafi abtritt, obwohl keiner einen Plan hat, keinerlei Fundamente für eine Zivilgesellschaft vorhanden sind und wir nicht wissen, wem wir trauen sollen. Aber in der Zwischenzeit verdient das libysche Volk mehr als Bomben ...

Curt Weldon war 1987 bis 2007 republikanischer Abgeordneter für Pennsylvania im US-Repräsentantenhaus; Erstpublikation des hier in Kurzfassung wiedergegebenen Beitrags in der Mittwochausgabe der "New York Times". Übersetzung:Mischa Jäger; F.: Reuters

US-"Missionar" Weldon: Libyen beim Regimewechsel helfen.

Saif Gaddafi: wie der Vater, so der Sohn - oder eine ernsthafte Option für Libyens Zukunft nach dem Rückzug des "Colonels"? Foto: Reuters