Das nach dem Wiener Kinderarzt Hans Asperger benannte Syndrom ist eine häufig mit sehr speziellen Begabungen verbundene Form des Autismus. Die schweren Kontaktstörungen, die Autismus kennzeichnen, erscheinen weniger einschneidend, Betroffene werden von ihrer Umwelt oft eher als wunderlich denn als behindert wahrgenommen. Nicht unbedingt eine Hilfe: Damit sinkt auch die Bereitschaft zur Hilfe. TV-Detektiv Monk zählt möglicherweise zu dieser Gruppe von Menschen, auch bei hochbegabten Musikern wird dies diskutiert. (spu)

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Specialisterne-Gründer Thorkil Sonne: Wir haben es in der Hand, ob wir die Fähigkeit von autistischen Menschen nutzen oder sie verkümmern lassen.

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Der Löwenzahnsame ist das Logo der Specialist People Foundation. "Für die meisten ist diese Pflanze lediglich unnützes Unkraut in ihrem Garten. Andere wiederum wissen, dass sie sehr wohlschmeckend sein kann und man Arznei aus ihr machen kann", sagt deren Gründer Thorkil Sonne.

Übertriebene Filmdarstellung

Spätestens seit dem Hollywoodfilm Rain Main wissen die meisten Leute um die besonderen Begabungen von Menschen mit Autismus. Doch in irgendeiner Form von anerkannter Arbeit beweisen können sie sich kaum. "Die meisten Unternehmen scheuen sich, so einen Menschen einzustellen, aus Angst, er könnte auszucken, wie im Film reichlich übertrieben dargestellt wurde", sagt Sonne, selbst Vater eines Sohns mit Asperger-Syndrom (siehe Wissen) im Gespräch mit dem Standard.

Das Wissen um die Behinderung seines Sohnes und die Sorge, dass dieser wohl kaum je einen anständig bezahlten Job bekommen würde, ließ den Dänen seinen gut bezahlten Posten als IT-Manager hinwerfen und 2004 Specialisterne gründen. Als weltweit erste Firma, deren Business-Modell auf der Anstellung von Menschen mit Autismus basiert.

Leidenschaft für Details

"Menschen mit Autismus-Syndromen bringen viele Fähigkeiten mit, die bei Softwaretests, Programmierarbeiten oder Tests von Mobiltelefonen sehr gefragt sind. Sie haben ein ausgezeichnetes Gedächtnis, Leidenschaft für Details, Ehrgeiz, Fehler zu finden, und arbeiten auch noch nach dem zehnten Durchgang mit der gleichen Konzentration." Die Fehlerquoten seiner hochbegabten Spezialisten seien jedenfalls sehr, sehr gering.

Menschen mit Behinderungen hätten in Wohlfahrtsstaaten wie Dänemark im Grunde nur zwei Möglichkeiten: Entweder eine Frühpension zu beziehen oder in einer geschützten Werkstätte zu arbeiten. "Doch ist es nicht für alle Seiten besser, wenn man die Talente dieser hochintelligenten Menschen hebt, statt für ihre Betreuung Steuergelder aufzuwenden?", fragt Sonne.

Achtsamer Umgangston

20 bis 25 Stunden arbeiten die Spezialisten wöchentlich in der Regel. In 25 Stunden verbrauchten Autisten so viel Energie wie andere in 40 Stunden, erklärt er. Bezahlt werden sie nach branchenüblichen Kollektivverträgen. Die Auftraggeber der etwa 50 Spezialisten, die vorab ein fünfmonatiges Training absolvieren, seien nicht nur sehr zufrieden. Auch der Umgangston in der gesamten Firma, in der sie jeweils arbeiteten, werde durch ihre Anwesenheit achtsamer und bewusster.

Das übergeordnete Ziel des Firmengründers ist es, eine Welt zu erschaffen, die frei von Barrieren, Stereotypen und Diskriminierung ist. Seine Vision ist es, eine Million Jobs weltweit zu schaffen. In Schottland und Island gibt es bereits Niederlassungen.

Ashoka in Österreich

Auch in anderen Ländern ist er auf der Suche nach Partnern, die ein Social Enterprise wie Specialisterne aufziehen möchte. In Österreich wird er dabei von Ashoka, einem Verein zur Förderung von Sozialunternehmertum, unterstützt. "Specialisterne ist nicht nur ein innovatives und funktionierendes Unternehmen. Es ändert nicht nur Symptome, sondern leitet ein Umdenken im Umgang mit Menschen mit Behinderungen ein", betont Ashoka-Länderdirektorin Marie Riegler. (Karin Tzschentke/ DER STANDARD Printausgabe, 5. April 2011)

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