Foto: Strellson

An einem plätschernden Springbrunnen vorbei führt der Weg in das kreisrunde Gebäude, das in der Industriezone von Kreuzlingen steht und der Hauptsitz von Strellson ist. Wer sich im obersten Stockwerk streckt, sieht den Bodensee. Wer sich drinnen umschaut, erblickt viel Glas, hellen Parkettboden, schickes Büromobiliar, natürliches Licht. Dann kommt Senka Stütz. Auf ihrer Visitenkarte steht "Advertising & Communication". Im Schweizer Herrenmode-Unternehmen, das derzeit international angesagt ist wie nie, sind diese zwei Bereiche ebenso wichtig wie die Produkte selbst.

Als das Unternehmen noch Friedrich Straehl + Co. AG hieß und Mäntel und Jacken produzierte, stand der industrielle Aspekt des Kleiderproduzierens noch im Vordergrund. Doch 1984 wurde das Modeunternehmen mit dem Vertrieb von Hugo Boss in der Schweiz beauftragt und von den Boss-Gründern Jochen und Uwe Holy übernommen. Das Sortiment wurde um Anzüge, Sakkos und Hosen erweitert, die Produktion teilweise ins Ausland verlegt. Bereits 1985 entstand die erste Kollektion der Marke Strellson. Allerdings fiel die Entscheidung, Strellson mit erhöhtem Werbeaufwand im Markt zu positionieren, erst zehn Jahre später. 1995 holten die Gebrüder Holy den Deutschen Reiner Pichler – heute 40-jährig, verheiratet, zwei Kinder, Motorradfahrer – an die Spitze des Unternehmens. Er startete die viel beachtete Werbekampagne und verlieh Strellson die heutige Philosophie.

Vieles läuft im Moment glatt für Reiner Pichler. Nicht erst, seit bekannt wurde, dass das männliche Kabinen- und Bodenpersonal sowie die Piloten der Schweizer Fluggesellschaft Swiss in Zukunft Strellson tragen werden. Es liegt auch nicht nur daran, dass Ronaldo, Luis Figo, Zinedine Zidane, Roberto Carlos und die übrigen Fußballer von Real Madrid abseits des Spielfelds in Strellson auftreten. Es ist ein Zustand, der mehr oder weniger anhält, seit der Münchner vor rund sieben Jahren zum CEO von Strellson ernannt wurde.

Dabei verkauft Strellson Anzüge, Krawatten, Schuhe oder Hemden. Nichts, was andere Herrenmode-Anbieter nicht auch anbieten. Der Unterschied jedoch liegt in der Art und Weise, wie es Strellson versteht, aus seinen Produkten mehr als Anzüge, Krawatten, Schuhe oder Hemden zu machen.

Reiner Pichler ist davon überzeugt, dass Männer in Strellson-Anzügen besser aussehen als in jenen anderer Marken. Pichler stützt sich dabei in seiner Ansicht nicht nur auf Verkaufszahlen, auch wenn diese seine These stützen. Dieses Selbstvertrauen hat er, weil seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alle zwischen 30 und 40 Jahre alt sind und damit exakt der Kernzielgruppe entsprechen. "Wir machen eigentlich Mode für uns selbst", sagt Pichler. "Darum verstehen wir die Menschen sehr gut, die unsere Produkte tragen." Strellson-Träger sind laut Firmenkonzept junge, intelligente, engagierte Männer. "Wir wollen das nicht zu sehr an einem Part der Gesellschaft festmachen. Unsere Mode richtet sich einfach an die junge Generation, an die 'new generation'. Die entsteht jeden Tag neu."

Foto: Strellson

Was Pichler mit "new generation" meint, kommt am deutlichsten in der Werbung für Strellson zum Ausdruck. Darauf sind keine anonymen Models zu sehen. Die Werbeträger werden auf der Straße, in Büros oder Bars entdeckt und in verschiedenen Metropolen der Welt fotografiert. Die Fotos nehmen fast den gesamten Inseratenraum ein. Dazu werden außergewöhnliche Statements der Fotografierten gesetzt, welche die Weltanschauung von Strellson transportieren. "Es gibt keinen Frieden ohne Freiheit, keine Freiheit ohne Recht, kein Recht ohne Liebe", steht zum Beispiel auf einem Inserat, das Dan Assan zeigt, einen Juristen aus Tel Aviv. Pablo Ramirez, ein Musikproduzent aus Buenos Aires, wird zitiert mit: "Mit Rockmusik können Sie Mädchen umwerben oder Diktatoren stürzen. Mit Gewehren nicht einmal eines von beidem." Oder der tibetanische Philosoph Indra Khanai sagt: "Wir Buddhisten gehen respektvoll mit der Welt um, weil wir nach dem Tod noch darin leben müssen."

Etwas überspitzt könnte man behaupten: In einem Segment, in dem die Produkte austauschbar geworden sind, ist das Image, das über die Werbung transportiert wird, wichtiger als die Produkte selbst. Damit würde man aber die Kunden unterschätzen, die kritisch genug sind, um gute von mittelmäßiger Qualität zu unterscheiden. Doch auch wenn keine exakten Zahlen erhältlich sind, ist bekannt, dass 20 Prozent des Umsatzes von Strellson in die Werbung investiert werden. Also in die reine Zelebration des Markennamens Strellson in Form doppelseitiger Inserate in Männer-, Wirtschafts-, Lifestyle- oder Airline-magazinen. Mit dieser Werbung möchte Strellson – so das Konzept – aufzeigen, dass das verbindende Element zwischen Marke und Mode der Mensch ist. Dieser stehe stets im Mittelpunkt, sagt Pichler.

Foto: Strellson

Die Kleider vollendeten nur das Gesamtbild. Insofern kommt Strellson jenem Punkt sehr nahe, an dem die Marke das Produkt zu überstrahlen droht. Dies erfolgreich zu steuern, also die Balance zu halten, bevor Werbung zur Übertreibung wird, gehört zu Pichlers täglicher Arbeit. Die Positionierung des Namens Strellson ist ihm enorm wichtig. Darum hat er das Marketing zur Chefsache erklärt. "Marketing ist die Außenpolitik des Unternehmens", sagt Pichler.

Die Werbeagentur RG Wiesmeier in München, die für ihre Arbeit schon ein paar Mal Preise eingeheimst hat, sieht er denn auch als Umsetzer der Strellson-Botschaft, nicht unbedingt als Kreateure einer solchen: "Werbung ist keine Arbeit, die man an eine Werbeagentur delegieren kann. Dann ist sie nicht erfolgreich", sagt Pichler. Die Ideen entstehen im eigenen Haus. Wie genau, kann er nicht erklären. "Auf einmal weißt es", bayert er. Selbst die Kreativen bei Strellson tun sich schwer zu beschreiben, wie man eine feine Nase für Trends entwickelt und Einfälle generiert. Marco Tomasi, der Creative Director, sagt: "Wir haben keine bestimmte Methode, keine Systematik. Wir gehen mit offenen Augen und Ohren durch die Welt und spüren intuitiv, was zu Strellson passt." Das sei eine Gefühlssache, sagt er.

Pichler selbst ist an etwa 120 Tagen im Jahr auf Reisen. Unterwegs zu sein ist ihm wichtig. So entstehen in seinem Kopf die Bilder, die beeinflussen, an welchen Orten die Fotos für die Kampagne gemacht werden. Darum hat er auf Reisen auch nie einen Laptop mit. Er mag nicht auf einen Bildschirm starren. Stattdessen schaut er – berufsbedingt – den Männern zu. "Wir sprechen viel darüber, was wir tun, aber auch über die Menschen und was sie tun", sagt Reiner Pichler über sich und sein Team in der Schweiz und lehnt sich auf seinem Stuhl zurück.

Manchmal passiere es, dass er drei Tage lang nur Gespräche mit den Entscheidungsträgern im Unternehmen führe. Am Ende solcher Prozesse stehe oft eine neue Idee. Bisher hat diese Arbeitsweise Früchte getragen. Der Wandel des Unternehmens vom traditionellen Textilbetrieb zur angesagten Marke ist vollzogen. (DER STANDARD, rondo/16/05/2003)