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Harald Galler mit Edeltraud, Tochter Julia und Landeshauptmann Franz Schausberger.

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Die seit Monaten in der algerischen Sahara verschleppten zehn Österreicher sind frei. Sie wurden gemeinsam mit sechs deutschen Geiseln und einem Schweden in der Nacht auf Mittwoch bei einer Militäraktion befreit. Mehrere Geiselnehmer sind bei dem Zugriff getötet worden. Unklar blieb vorerst das Schicksal der weiteren 15 vermissten Ausländer. Sie sollen rund 1000 Kilometer von der befreiten Gruppe entfernt festgehalten werden. Meldungen, dass auch dort bereits eine Befreiungsaktion im Gange sei, wurden Mittwoch nicht bestätigt.

Alle seit Februar verschwundenen 32 Touristen seien von der Salafisten-Gruppe für Predigt und Kampf (GSPC) entführt worden, gab das algerische Innenministerium bekannt. Diese Organisation wird dringend verdächtigt, mit Osama Bin Ladens Terrororganisation Al-Kaida in Verbindung zu stehen.

Befreite Österreicher wieder zurück

Nach Aussagen einiger Verwandter und nach Auskunft von Salzburgs Landeshauptmann Franz Schausberger dürfte es den acht Salzburgern und zwei Tirolern "den Umständen entsprechend gut" gehen. Alle dürften die Wochen der Entführung ebenso unverletzt überstanden haben wie die Militäraktion zu ihrer Befreiung. Genau um 19.55 Uhr setzte die Boeing 737 der Lauda Air mit den zehn österreichischen Sahara-Geiseln auf der Piste des Salzburger Flughafens auf.Müde und abgemagert- aber froh wieder gesund daheim zu sein.

Neun von zehn Geiselnehmern tot

Details über den Zugriff der algerischen Spezialkräfte blieben zunächst geheim. Fest steht nur: Es hatte zuvor Verhandlungen über eine Freilassung gegeben, die algerische Regierung war jedoch auf keine Forderungen der Kidnapper eingegangen. Bei der Militäraktion in der Nähe von Amguid, etwa 200 Kilometer nördlich von Tamanrasset, sollen neun der zehn Geiselnehmer ums Leben gekommen sein. Die radikal-islamistische Gruppe war mit Maschinenpistolen bewaffnet, Verluste soll es auch aufseiten des algerischen Militärs gegeben haben. Die Armeeführung sprach offiziell allerdings nur von mehreren Verletzten. Meldungen algerischer Zeitungen, nach denen auch unter den Geiseln Opfer zu beklagen wären, wurden dementiert.

Telefonate

Einige der verschleppten Saharatouristen hatten bereits wenige Stunden nach ihrer Befreiung Gelegenheit mit ihren Verwandten und Partnern in Österreich zu telefonieren. Der Salzburger Ingo Bleckmann (60) meldete sich noch in der Nacht bei seiner Gattin Monika: Es gehe ihm gut.

Monika Bleckmann fungierte in den vergangenen Wochen als Sprecherin der Angehörigen der Entführten. Als Landeshauptmann Schausberger in der Früh in ihre Villa gekommen war, um ihr persönlich Blumen zu überreichen, war sie bereits wieder unterwegs, um die Ankunft ihres Mannes vorzubereiten. Die Freundin des ebenfalls entführten Tirolers Christoph Langes (32) berichtete im lokalen Rundfunk, dass die Stimme ihres Freundes "gut geklungen" habe - "vital und stärker", als sie es erwartet habe. Andere Angehörige erfuhren allerdings erst aus den Medien von der Befreiung.

Sanitätsflugzeug seit Wochen bereit

Auch die sechs Deutschen und der Schwede wurden lich in ihre Heimat zurückgebracht. Der Staatssekretär im deutschen Auswärtigen Amt, Jürgen Chrobog, ist nach Algier gereist, um die deutschen Touristen abzuholen. Ein Sanitätsairbus der Bundeswehr stand seit Wochen für einen Transport nach Köln bereit.

Der deutsche Regierungssprecher Thomas Steg drückte die Erleichterung der Bundesregierung über die Freilassung aus. Er sprach aber von "großer Sorge" um das Schicksal derjenigen, die sich noch in den Händen der Entführer befänden. Bundesinnenminister Otto Schily nannte ihre Situation "prekär" . Die 15 noch Vermissten - zehn deutsche Touristen, vier aus der Schweiz und ein Niederländer - sollen im Tamelrik-Gebirge in der Nähe der Stadt Illizi festgehalten werden. Das Gebiet ist nur sehr schwer zugänglich.

In Österreich machte sich hingegen auch in politischen Kreisen Erleichterung breit. Bundespräsident Thomas Klestil bedankte sich bei seinem algerischen Amtskollegen Abdelaziz Bouteflika für die Hilfe und lud ihn zu einem Staatsbesuch nach Wien ein. "Es ist die schönste Nachricht des Tages, ich bin dankbar, dass diese schwierige Situation gut bewältigt wurde", sagte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (VP). Er hoffe, dass auch die anderen Geiseln bald nach Hause kämen.

Psychologische Beratung

Für die psychologische Betreuung der befreiten Geiseln sei gesorgt, erklärte Landesrettungskommandant Gerhard Huber. Der leitende Notfallpsychologe des Salzburger Roten Kreuzes, Klaus Hausmann, der vom Zeitpunkt der ersten Vermisstenmeldung an knapp acht Wochen lang mit den Angehörigen in Kontakt gestanden sei, werde in den kommenden Tagen auf Wunsch der zurückgekehrten acht Salzburger die Gespräche mit Psychologen koordinieren.

Unter der Leitung Hausmanns stünden mehrere Psychologen für jene Salzburger bereit, die eine persönliche Beratung in Anspruch nehmen wollen. Wie es ihnen psychisch gehe, davon könne man sich erst nach ihrer Ankunft und in den folgenden Tagen ein Bild machen, meinte Huber. "Wahrscheinlich haben sie die Erlebnisse unterschiedlich aufgenommen."

Seelische Wunden nicht sichtbar

"Eine seelische Verwundung kann genauso in Phasen ablaufen wie eine körperliche Wunde. Seelische Wunden haben nur eine schlimme Eigenschaft: Sie sind nicht sichtbar", sagte Stephan Rudas, Leiter des Instituts für psychosoziale Forschung in Wien. Vorrang hätten nun therapeutische Gespräche, betonte Siegfried Kasper von der Universitätsklinik für Psychiatrie am Wiener AKH. Im Bedarfsfall könnten in der Behandlung Medikamente hinzu kommen.

Zur Rückkehr ins "normale Leben" gehört auch die Frage, ob die rund zweimonatige Gefangenschaft für die Betroffenen berufliche Konsequenzen haben könnte - sofern sie nicht selbstständig sind. Die gute Nachricht: "Um seinen Job braucht niemand zu fürchten", sagte ein Arbeitsrechtsexperte der Wiener Arbeiterkammer (AK). In Sachen Gehaltsfortzahlung seien die Befreiten allerdings auf den Goodwill ihrer Arbeitgeber angewiesen.

Es handelt sich bei der Geiselnahme um ein Ereignis, für das weder Dienstnehmer noch -geber verantwortlich zu machen sind, so der AK-Experte. Insofern ist der Angestellte zwar vor einer Kündigung sicher. Umgekehrt besteht aber keine Rechtsgrundlage, um die Lohnfortzahlung einzufordern, denn auch der Arbeitgeber kann nicht für das Ereignis zur Verantwortung gezogen werden. Das gilt aber nicht für den Zeitraum des ohnehin geplanten Urlaubs. (von Thomas Neuhold und Reiner Wandler/DER STANDARD Printausgabe 15.5.2003)