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Am Vorabend "des persönlichen oder globalen Untergangs" tritt Christoph Schlingensief einer Kirche bei: Die "CHURCH of FEAR" . Es ist an der Zeit "sich offensiv zu ängstigen", "sich zur Angst zu bekennen, um aus ihr zu schöpfen", predigt das einfache Gemeindemitglied Schlingensief, im Brotberuf Film- und Theatermacher. Die Lehre dieses Angstbekenntnisses führt Schlingensief nach Wien zur nächsten, in Kooperation mit dem STANDARD veranstalteten, Matinee der Reihe "Globalisierung und Gewalt" im Volkstheater (25. Mai).

Angst-Askese

Wien ist nur ein Ort in der Liste der europäischen "Verkündigungsprozessionen" und großen "Kirchentage", die die "Church of Fear" 2003 organisiert. Der prominenteste unter ihnen sicherlich Venedig, wo Schlingensief im Rahmen der 50. Kunst-Biennale sieben "Säulenheilige der Moderne" aus- bzw. aufstellt. Nach dem Vorbild der Styliten, den frühchristlichen Säulenheiligen, sollen die "terrorismusgeschädigten" Personen eine Woche auf einem zwei Meter hohen Pfahl ausharren: "In freiwilliger Askese, um ihre fremdbestimmten Ängst zu demonstrieren und letztlich zu demontieren, lautlos und bescheiden".

Wer sitzt länger

Neben dem Aspekt der Schaulust - der Holzpfahl wird im Stadtzentrum aufgestellt - wird der, wie immer provozierenden, Aktion in Venedig - eine interaktive Komponente hinzugefügt: So kann das Publikum - ähnlich wie beim Festwochen-Projekt "Ausländer Raus" im Jahr 2000 - vor Ort und im Internet auf denjenigen setzen, der das Verlassen seines luftigen hölzernen Sitzes am längsten hinauszögern kann.

In der "sakralen Begegnungsstätte" Wien wird Schlingensief die Ängste alles andere als lautlos verkünden. Seinem Informationsvortrag über die "kirchenähnliche Gemeinschaft von Menschen, denen das Glauben misslungen sei", schließt ein Gespräch mit STANDARD-Kulturressortleiter Claus Philipp an, der bereits die vorangegangenen Matineen der Reihe mit Zizek, Baudrillard, Kluge, Groys, Glucksmann und Weibel moderierte. (kafe)