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Die nächsten planetarischen Schritte könnten Menschen auf den Mars setzen. Unklar ist, wann es so weit sein wird.

Illu.: Fatih Aydogdu; Fotos: dapd/Nasa, EPA/Nasa, dpa/Esa, Reuters/Esa (2)

Martin Tajmar: "Auf dem Mars gibt es ein Ökosystem. Das muss man sich genau und nicht nur von der Erde aus anschauen."

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Peter Illetschko sprach mit ihm über die Privatisierung der Raumfahrt und den Spaß beim Flug ins All.

STANDARD: Im Frühsommer fliegt das letzte Spaceshuttle ins All. Ist das ein Anzeichen dafür, dass sich die USA von der bemannten Raumfahrt zurückziehen?

Tajmar: Nur der Staat zieht sich zurück. In den Vereinigten Staaten gibt es ja mittlerweile einige Private, die eine bemannte Raumfahrt durchführen können. Space X zum Beispiel, die haben schon im Sommer 2010 die Falcon-9-Rakete mit der DragonRaumkapsel für Astronauten ins All geschickt und die Kapsel wieder zurück auf die Erde gebracht – also technisch auf höchstem Niveau. Oder die Sierra Nevada Corporation, die eine Raumgleiterentwicklung der Nasa übernommen hat und daraus den Dream Chaser baut, der in Zukunft die Astronauten zur internationalen Raumstation ISS bringen soll. Da ist momentan wirklich eine ganze Menge in Bewegung.

STANDARD: Ging dieser Trend von US-Präsident Obama aus, der sich hinsichtlich bemannter Weltraumabenteuer distanziert äußerte?

Tajmar: Der Trend hat sich schon vor seiner Amtszeit abgezeichnet. Für Obama kam das gerade recht. Er will, dass sich die nationale Luft- und Raumfahrtbehörde Nasa mehr mit reinen Forschungsarbeiten beschäftigt, also etwa mit dem Bau neuer Teleskope, und dass private Anbieter die Nasa beim reinen Weltraumtransport unterstützen sollen. Damit fährt er natürlich eine ganz andere Strategie als sein Vorgänger George W. Bush, der die bemannte Raumfahrt der Nasa noch forcierte.

STANDARD: Sind dadurch die Pläne gefährdet, in etwa zwanzig Jahren zum Mars zu fliegen?

Tajmar: Der Mars ist ein Prestigeprojekt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die USA den Flug zum Roten Planeten einem Unternehmen überlassen werden, zumal andere Länder wie Russland ähnliche Pläne geäußert haben und die Chinesen gesagt haben, zum Mond fliegen zu wollen. Möglicherweise einigt man sich sogar, gemeinsam hinzufliegen, also der Staat mit den Privaten, weil der Flug teuer ist.

STANDARD: Ist er nur teuer oder vielmehr gar nicht leistbar? Man sprach zuletzt von 400 bis 500 Milliarden Euro, die diese Expedition kosten würde. Wie soll sich das in wirtschaftlich angespannten Zeiten ausgehen?

Tajmar: Das Geld ist vorhanden. Man müsste nur Schwerpunkte setzen und einige andere Projekte streichen. In den 1960er-Jahren haben die USA den Schwerpunkt auf bemannte Raumfahrt gesetzt, weil sie die ersten Menschen auf dem Mond sein wollten. Obama sieht andere Schwerpunkte. Die nächste Administration will womöglich wieder einen Trip zum Mars. Wenn es eine definitive Entscheidung gibt wie die berühmte Kennedy-Aussage Anfang der 1960er-Jahre, bis zum Ende des Jahrzehnts zum Mond fliegen zu wollen, muss die natürlich auch halten. Das aber ist bei den Amerikanern nicht so sicher. Technisch ist der Marsflug eigentlich heute schon machbar. Mit dem nuklearen Raketenantrieb gäbe es bereits die bestmögliche Antriebstechnologie für einen Marsflug.

STANDARD: Wie sicher ist dieser nukleare Antrieb?

Tajmar: Sicherer als jeder chemisch zusammengesetzte Treibstoff, weil er das Astronautenteam um vieles schneller zum Ziel bringt und sie dadurch nicht so lange der kosmischen Strahlung ausgesetzt sind. In etwa 200 Tagen wäre man auf dem Mars. Nach 500 Tagen Aufenthalt, um die ideale Sonnenkonstellation für den Rückflug zu ermöglichen, wäre man wieder 200 Tage auf der Heimreise.

STANDARD: Die Gesellschaft assoziiert Atomkraft mit Gefahr. Wie wollen die Befürworter eines solchen Antriebs dagegenhalten?

Tajmar: Mit Aufklärung. Jeder Atomreaktor auf der Erde hat ein deutlich höheres Risikopotenzial als ein solcher Antrieb im Weltraum. Ein Flug zum Mars wäre kontrollierbar, vor allem unbeeinflusst von äußeren Einflüssen wie auf der Erde, das Risiko könnte man eingrenzen.

STANDARD: Skeptiker werden dennoch wie bei den Mondflügen nach dem Sinn des bemannten Marstrips fragen. Könnte man nicht auch einen Roboter schicken?

Tajmar: Nein. Es gibt keine Roboter, die das können, was ein Mensch kann, zum Beispiel in eine Höhle klettern. Gerade in solchen Regionen des Mars erwarte ich mir große Entdeckungen, die unser wissenschaftliches Weltbild erweitern. Wir müssen ganz einfach zum Mars.

STANDARD: Was treibt die Menschen bei diesen Überlegungen an? Was fesselt Sie persönlich am Gedanken, dass Astronauten den Mars betreten könnten?

Tajmar: Ein fast kindlicher Forscher- und Entdeckerdrang. Wir wollen mehr wissen, mehr sehen, Dinge erfassen, von denen wir bisher nur eine Ahnung oder nicht einmal das haben. Zum Glück lässt sich diese Neugier nicht einbremsen. Christoph Columbus hat deshalb Amerika entdeckt. Auf dem Mars gibt es Wasser. Da gibt es ein Ökosystem, das muss man sich genauer anschauen und nicht nur von der Erde aus.

STANDARD: Ist es auch Neugier, die Millionäre zu Weltraumtouristen macht? Wie schätzen Sie diesen Markt ein?

Tajmar: Ich bin überzeugt, dass diese suborbitalen Flüge bald billiger werden. Sie haben aber nichts mit Forschung zu tun, sie sind reiner Fun. Es entsteht eine Weltraumtourismusindustrie, und damit wird es auf hohem Niveau zu einem Preisverfall kommen. Bald werden sich nicht nur Multimillionäre mit einem gewissen Hang zur Exzentrik ein derartiges Abenteuer leisten können. Bald kostet es 200.000 Euro, vielleicht einmal nur 10.000 Euro. Da würde ich auch drüber nachdenken. Einmal würde ich schon gerne die Erde von oben betrachten. (DER STANDARD, Printausgabe, 30.03.2011)