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Demonstrativ belgisch: Immer mehr junge Menschen gehen gegen die politische Lähmung ihres Heimatlandes auf die Straße.

Foto: EPA/BRUNO FAHY

Brüssel - Belgien hat am Dienstag den Weltrekord des Irak für die längste Zeit bis zu einer Regierungsbildung eingestellt. Das Königreich, das als Hauptsitz der Europäischen Union (EU) dient, war am Dienstag 289 Tage nach den Parlamentswahlen vom 13. Juni 2010 weiter ohne richtige Regierung. Die Koalition unter Yves Leterme war im vergangenen April an einem Streit über die Rechte von französischsprachigen Belgiern in Flandern zerbrochen.

Der Streit um die Minderheitenrechte ist Teil der Konflikte zwischen den Parteien der Flamen einerseits und der Französischsprachigen aus Brüssel und der Wallonie andererseits. Die Auseinandersetzungen prägen auch die aktuellen schleppenden Verhandlungen über eine Regierungsbildung und die damit zusammenhängende Staatsreform.

Im Mittelpunkt steht die Frage, wie viel Macht von der Zentralregierung in Brüssel auf die einzelnen Gliedstaaten übergehen soll. Die Flamen verlangen mehr regionale Eigenständigkeit als die Frankophonen, die stärker dem hergebrachten Bundesstaat und dem damit verbundenen Finanzausgleich die Treue halten. Auf lange Sicht strebt die in Flandern dominierende Neu-Flämische Allianz (NVA) sogar eine unabhängige flämische Republik und damit das Ende Belgiens in der hergebrachten Gestalt an.

Bereits im Februar hatte das Land einen Rekord des Irak geschlagen, bei dem es um die Zeit zwischen den Wahlen und einem Durchbruch in den Verhandlungen ging. Die neue Zäsur am Dienstag war für die belgischen Medien und die Öffentlichkeit allerdings ein kleineres Thema. Unter dem Titel "Kein Separatismus in unserem Namen" sollten in Universitätsstädten wie Lüttich und Antwerpen kostenlos Pommes Frites als Zeichen des Zusammenhaltes des Königreichs verteilt werden.

Unterdessen mehrten sich kritische Stimmen über die Regierung Leterme, die die Amtsgeschäfte kommissarisch weiterführt. Juristen hätten Bedenken, dass das Kabinett seine kommissarischen Befugnisse beständig auszuweiten suche, etwa bei der Verabschiedung des Haushaltes, schrieb die Zeitung "Le Soir" am Dienstag. Diese Ausweitung der Befugnisse habe den Segen des Parlamentes und auch von König Albert II., hieß es in der Zeitung. (APA/AFP)