Dass die Haushaltskräfte dieser Welt einen guten Magen brauchen, wissen wir spätestens seit dem Enthüllungsbericht "Unter Deutschlands Betten" der polnischen Putzfrau Justyna Polanska. Doch die Putzfrau "Rosa", Hauptfigur in Nadja Buchers Debütroman "Rosa gegen den Dreck der Welt", hält sich nicht mit der Schlampigkeit, dem Rassismus und dem Dünkel ihrer KundInnen auf - sie hat mit dieser Gesellschaft abgeschlossen. Der Wunsch nach Autonomie in einer verrotteten, verschmutzten Welt gelingt aber auch der perfektionistischen Öko-Putzfrau Rosa nicht (siehe Rezension "Überall sauber"). Warum das Putzen mit reinem Essig also leider auch nicht die Lösung ist, erklärt die Autorin Nadja Bucher im Interview mit dieStandard.at:

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dieStandard.at: Wer putzt eigentlich bei Ihnen zuhause?

Nadja Bucher: Ich lebe in einer Partnerschaft, lange Jahre schon, wir teilen uns die Hausarbeit ziemlich gut auf. Manchmal hab ich das Gefühl, dass ich mehr mache und dann fange ich an zu schreien. Aber vielleicht stimmt das gar nicht.

dieStandard.at: Sie haben also keine Putzfrau?

Nadja Bucher: Nein, aber ich hatte schon einmal eine. In London in einer 12er-WG und dann hier in Wien, wo ich mit zwei Männern in einer WG gewohnt habe. Das hat viel erspart.

dieStandard.at: Sie sind also durchaus aufgeschlossen gegenüber dem Thema Putzfrau?

Nadja Bucher: Ja, ja.

dieStandard.at: Wie haben Sie dann für das Buch recherchiert?

Nadja Bucher: Das beruht eigentlich auf meinen Vorstellungen. Ich dachte mir, dass eine Frau, die so öko ist wie meine Rosa, dass die dann nicht mit herkömmlichen chemischen Mitteln putzen kann. Die verwendet eben Essig, wie es früher ja auch von den Hausfrauen gemacht wurde. Ich bin auch in die Läden gegangen und habe mir angeschaut, was da alles so drin ist in den chemischen Putzmitteln. Auf Anregung meiner FreundInnen habe ich das Putzen mit Essig dann auch selber ausprobiert. Leider kann ich es nicht wirklich empfehlen (lacht).

dieStandard.at: Wieso nicht?

Nadja Bucher: Mit einem Wisch ist da nicht alles weg, da muss man schon öfter ansetzen. Für Rosa habe ich das beschönigt. Da hat das Putzen ja diesen meditativen Charakter. Sie löscht damit das Leben der Menschen aus.

dieStandard.at: Ihre Berufung ist der Poetry Slam. Seit wann machen Sie das?

Nadja Bucher: Seit 2004. Bei "Textstromslam" von Mieze Medusa habe ich angefangen. Sie hat mich eingeladen, meine Texte dort vorzutragen. Das war für mich der erste Schritt, das Eigene aus der Hand zu geben.

So einen Slam kann ich schon empfehlen. Er ist extrem niederschwellig: du musst nichts einschicken, du musst nicht ausgewählt werden. Diese Art der Zensur fällt beim Slam weg. Jede/jeder kann sich da hin stellen. Und es ist klasse, weil man sofort merkt, ob der Text ankommt. Und man merkt auch, dass der gleiche Text woanders dann wieder nicht funktioniert. Es gibt also 'den guten Text', wie man es als Germanistin ja nach wie vor lernt, schlicht und einfach nicht. Beim Slam wird dir klar, dass es keine Sicherheit im Schreiben gibt, einfach weil die Qualität des Textes nicht so einfach objektivierbar ist. Manchmal funktioniert er, bei einem anderen Publikum wieder nicht.

dieStandard.at: Könnte man auch sagen, dass der Poetry Slam die Literatur in einen popkulturellen Ort verlegt?

Nadja Bucher: Ich empfinde es als Demokratisierung. Viele sehen Slams ja als trivial, jedenfalls nicht als hohe Literatur, aber es ist immer noch die Entscheidung der einzelnen, ob sie einen ernsten Text vorlegt oder einen, der auf Pointen und Witze ausgelegt ist. Auf die Gefahr hin, dann halt auch nicht zu gewinnen. Aber das machen Frauen eh meistens nicht ...

dieStandard.at: Ist das wirklich so?

Nadja Bucher: In meiner Wahrnehmung leider ja. Es machen zum einen viel weniger Frauen mit und dann schreiben sie auch durchwegs die ernsteren, kritischen Texte, die sich selbst eher offenbaren. Damit gewinnt man halt dann nicht. Das ist natürlich eine Verallgemeinerung, aber Frauen geht's eher darum ihre Ansichten einem Publikum kundzutun, da schließe ich mich auch mit ein, und weniger darum zu gewinnen. Die Jungs setzen aufs Gewinnen.

dieStandard.at: Gemeinsam mit FreundInnen haben Sie auch die 'Lesebühne' nach Wien geholt. Was genau passiert da?

Nadja Bucher: Wir treten unter dem Namen 'Dogma. Chronik. Arschtritt' auf. Das machen wir zu dritt und laden jeden Abend einen Gast ein, der auch das Thema des Abends vorgeben darf. Das lässt sich mit dem Slam aber nicht vergleichen, weil wir ja entscheiden, wer unser Gast sein soll.

dieStandard.at: Was sind Ihre Themen beim Slammen?

Nadja Bucher: Ich bin sehr im Alltag verhaftet, und spinne Dinge, die mir da aufstoßen, textlich weiter. Das ist meine Frauensicht, der Körper kommt immer wieder vor, die Probleme, die ich mit ihm habe, das Zurechtfinden in der Welt, im Alltag, im Straßenverkehr.

dieStandard.at: Ihr erster Roman kreist dann auch um so etwas alltägliches wie Hausarbeit ...

Nadja Bucher: Das Putzfrauen-Thema hat sich eigentlich eher aus der Fragestellung heraus ergeben: Was erfährt man über eine Person, wenn man in ihre Wohnung kommt? Ich bin dann auf die Putzfrau gekommen, weil sie die Gelegenheit hat, in einer Wohnung zu sein, wo sie nicht weiß, wer da drinnen wohnt.

dieStandard.at: Bei der Bezeichnung 'Putzfrauenroman' denkt man als Feministin als erstes an die Strukturen der Ausbeutung von Haushaltskräften ... und ist dann überrascht, dass es in ihrem Roman weder um eine Migrantin geht, noch um Geschlechterfragen.

Nadja Bucher: Also, mir ging es nicht darum, ein Statement zu machen zur Frage, wer die Hausarbeit macht. Nicht in erster Linie. Aber mir ist es schon wichtig, dass meine Rosa eine positive Putzfrauen-Figur ist. Das Buch von Milena Moser, 'Die Putzfraueninsel', hat offenbar einen großen Eindruck auf mich gemacht. Darin kommt ja auch eine positiv konnotierte Putzfrauenfigur vor. Meine Figur 'Rosa' ist selbstständige Putzfrau und sie hat diese Tätigkeit selbst gewählt, aus einem bewussten Entschluss. Sie wird nicht ausgebeutet.

Was mir an der Bezeichnung 'Putzfrauenroman' gefällt, ist, dass man sich ein Bild macht. Auch Rosa macht sich ein Bild von der Frau in der Wohnung, muss es aber ständig revidieren, aufgrund der Gegenstände, die sie in der Wohnung findet. Genauso wollte ich es mit der LeserIn machen, die sich ein Bild macht durch die Bezeichnung 'Putzfrauenroman' und dieses Bild dann ständig revidieren muss.

dieStandard.at: Ihre Protagonistin ist zwar ziemlich neurotisch gezeichnet, aber im Kern repräsentiert sie den 'ökologischen Gedanken'. Führt der automatisch in den Nervenzusammenbruch?

Nadja Bucher: Schön langsam wird mir klar, dass Rosa als Figur eigentlich eine Metapher ist für ganz vieles. Rosa will nicht nur die Sauberkeit in der Wohnung, sie will sie auch draußen (in der Umwelt) und in ihrem Körper. Sie will sie überall. Wir kennen diese Überlegungen ja von uns selbst: Natürlich will ich keinen Atomstrom aus der Steckdose, natürlich will ich nicht, dass für mein Erdöl die Umwelt verpestet und Menschenrechte verletzt werden. Ich kann aber wenig dagegen tun. Wir machen uns allein deshalb, weil wir hier in Europa leben, schuldig. Mich hat die Frage interessiert, wie weit kann man sich rausnehmen aus dieser Schuldspirale. Rosa will konsequent leben und nicht mehr mitspielen. Sie will von dieser Gesellschaft nichts mehr, keine Anerkennung als Mutter, Partnerin, im Beruf, usw.

dieStandard.at: Ihr Roman wendet die Aufmerksamkeit jedenfalls in die kleinsten Aspekte des alltäglichen Lebens. Befürchten Sie nicht, dass Sie damit anfällige Menschen in die Neurose treiben?

Nadja Bucher: (Lacht.) Also, für mich ist es so, dass ich beim Schreiben den ökologischen Gedanken so ausleben konnte, dass ich jetzt lockerer sein kann. Weil ich dieses Scheitern gesehen habe. Das hat es mir leichter gemacht. Das Buch soll eigentlich eher die Last von den Schultern nehmen.

dieStandard.at: Der Einfluss der KonsumentInnen auf dieses System wird ja generell überbewertet, sagen auch kritische ÖkonomInnen.

Nadja Bucher: Ja, das ist die Abwälzung der Schuld auf die Konsumenten und nicht auf die Produzenten. Das kennen wir ja auch schon von den Gleichstellungsdiskussionen. Die, die eh schon darunter leiden, sind dann auch noch an ihrer Situation selber schuld. Weil, ‚sie könnten ja einfach ihr Verhalten ändern'. Dass das was Strukturelles ist, wird oft verschwiegen. (Die Fragen stellte Ina Freudenschuß, dieStandard.at, 27.3.2011)