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Am Markt in Algier.

Foto: REUTERS/Louafi Larbi

Reiner Wandler, Korrespondent für Iberien und Nordafrika.

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Algeriens Privatwirtschaft blüht. In vielen Garagen der Hauptstadt Algier stehen längst keine Autos mehr. Ein paar Kacheln, eine Theke und eine Eingangstür aus Aluminium, fertig ist ein Kaffee, ein Schnellimbiss oder ein Lebensmittelladen.

Die Kunden lieben es europäisch, bzw. amerikanisch. So steht für den schnellen Hunger zwischen durch der reiche Norden Pate. In Algier gibt es gleich mehrere Hamburgerbuden im Design des rot-weißen Marktführers aus Übersee. Auch der königliche Konkurrent, die bekannte Ketten der einstigen Metropoli Frankreich und der etwas luxuriöseren Imbiss, für den Hollywoodstars und weltberühmte Modells werben, sind vertreten. Eine Lizenz hat freilich keiner der Geschäftsinhaber. Auch wenn bis hin zu Schürzen, Mützen und Kartons für die Pommes alles penibel dem Original nachempfunden ist.

An den Wänden vieler Kaffees werben blauen Plakate für die französische Orangina. Im Angebot ist freilich nur das algerische Produkt gleichen Namens. Auch sie in der bauchigen Flasche. Was viele der jugendlichen Kunden längst vergessen haben: Es handelt sich hier um das Original, und nicht um die Fälschung. Eine Fabrik in Blida, mitten in der Region, die während der Terrorwelle der 1990er Jahre den Namen Todesdreieck bekam, ist die eigentliche Geburtsstädte der Limo mit Fruchtfleisch. Als die Franzosen 1962 ihre Kolonie in die Unabhängigkeit entlassen mussten, nahmen sie Name und Flaschendesign ganz einfach mit.

Übrigens stammt auch so manche Züchtung der saftspendenen Zitrusfrüchte aus Algerien. Die Cementine geht auf einen Priester mit Namen Clement zurück. Auch er experimentierte in der Gegend rund um Blida.

Wer in den Kaffees und Imbissbuden verkehrt, trägt Jeans und Sportschuhe auf denen die Logotypen internationaler Marken prangen. Mit den Originalen haben sie oft nur eines gemein, den Preis. Die meist aus Tunesien, Marokko, der Türkei oder China kommenden Nachbildungen kosten in Algerien oft so viel wie in Europa das Original.

Der noch immer abgeschlossene Markt ist ein Paradies für die sogenannten Businessmen. Sie sind im Besitz eines der raren Visen für den Schengenraum und verdienen sich so am Grauimport, dem trabando, eine goldene Nase. Nichts, was nicht den Weg über die Grenzen findet und zu überhöhten Preisen an Mann und Frau gebracht werden kann.

Die Regale der Superettes, wie die Algerier die Supermärkte im Garagenformat nennen, sind voller Reißzwecken aus China, Tee und Haaröl aus Indien, Hennah aus Pakistan, Insektenvertilger aus Ungarn. Die Wattestäbchen kommen aus Kenia, die Brausegetränke aus Südafrika und Kanada. Wem es nach Schokolade gelüstet, der findet Produkte aus Frankreich und aus Spanien. Spülmittel und Scheuerlappen kommen aus den USA, Waschpulver aus Indonesien, Parfüms und Seifen aus der Türkei und Syrien und die Waschlappen aus Japan. Selbst geschlossene Grenzen stellen für die trabandistes kein Problem dar. Erdnüsse, ja selbst Goldschmuck finden den Weg aus dem benachbarten Marokko auf den algerischen Markt.

Eine ganz besondere Überraschung erleben die Käufer des Streichkäses Tammy. Das arabischsprachigen Etikett verspricht ein einheimisches Produkt. Dem hungrigen Kunde blickt eine glücklich lächelnde Kuh vor einem bergigen Hintergrund entgegen, ganz so wie auf dem wohl bekanntesten Produkt seiner Art, Made in France. Einmal geöffnet findet er acht Käseeckchen bedruckt mit einem Hirsch und der Aufschrift "Reem, Made in Portugal".

Was für den nordafrikanischen Verbraucher zu teuer ist, wird kurzerhand gefälscht, selbst die Zigarretten einer bekannten amerikanischen Marke oder Parfüms. Auch wenn die Verpackung der Duftwässerchen denen der Marken bekannter Modeschöpfer bis ins kleinste Detail gleichen, lässt der Inhaltzu wünschen übrig. Was herauskommt erinnert nur zu oft an die Einheitspampe aus den Zeiten der sozialistischen Experimente. (derStandard.at, 24.3.2011)