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WissenschafterInnen: "nicht nur Köpfe, sondern Menschen mit Kopf, Körper und Bedürfnissen"

Foto: APA/Wolfgang Kumm

Selbst für hochqualifizierte WissenschafterInnen wird es immer schwieriger, eine Professur zu erlangen: Massive budgetäre Kürzungen im universitären Sektor führen zur Streichung vakanter Stellen, wodurch der ohnehin schon hohe Leistungs- und Konkurrenzdruck weiter steigt. Wer mit Anfang/Mitte 40 noch keine Habilitation vorweisen kann, gehört (natürlich nur inoffiziell) zum "alten Eisen". Jene, die es schaffen, sind mit einer Vielzahl an Fragen konfrontiert, da die Berufung an eine Universität häufig auch mit einem Wohnortwechsel, nicht selten mit dem Umzug ins Ausland, verbunden ist.

Dual Career Service für Paare

Genau hier setzt das im Dezember 2010 in der Steiermark ins Leben gerufene, österreichweit erste Dual Career Service für ForscherInnenpaare an. Von den fünf steirischen Universitäten, der Karl-Franzens-Universität Graz, der Medizinischen Universität Graz, der Technischen Universität Graz, der Montanuniversität Leoben und der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz initiiert, soll das Karrierezentrum neu berufene ForscherInnen dabei unterstützen, jene Fragen, die sich durch eine Verlagerung des Lebensmittelpunktes in die Steiermark ergeben, zu klären.

Kopf, Körper und Bedürfnisse

Die vom steirischen Karrierezentrum angebotenen Services umfassen neben der Hilfe bei der Wohnungssuche oder der Suche nach einem geeigneten Kindergarten- oder Schulplatz auch Hilfestellungen bezüglich der Anrechnung von Versicherungs- und Pensionszeiten, so Renate Dworczak, Vizerektorin für Personal, Personalentwicklung und Gleichbehandlung der Karl-Franzens-Universität Graz. Aus dem Nicht-EU-Ausland kommende ForscherInnen würden zudem bei Fragen rund um den Aufenthaltstitel oder auch bei notwendigen Nostrifikationen unterstützt werden. Im Wettkampf um die so genannten besten Köpfe würden viele Universitäten vergessen, dass die WissenschafterInnen "nicht nur Köpfe, sondern Menschen mit Kopf, Körper und Bedürfnissen sind". Die Aufgabe des Karrierezentrums sei es dementsprechend, jenen Kräften, die an steirischen Universitäten anheuern, dabei zu helfen, optimale Arbeits- aber auch Lebensbedingungen zu schaffen, die ihren jeweiligen Bedürfnissen entsprechen.

"Keine Jobgarantie"

Optimale Bedingungen sollen, nach Möglichkeit, auch für hochqualifizierte PartnerInnen der neu berufenen ProfessorInnen geschaffen werden. Man sei darum bemüht, sie über Job-Möglichkeiten innerhalb und außerhalb der Universitäten zu informieren und erste Kontakte zu potenziellen ArbeitgeberInnen herzustellen, so Dworczak. Auf die Frage, ob PartnerInnen von ProfessorInnen bei Stellenausschreibungen an den Universitäten bevorzugt behandelt würden, ob PartnerIn-Sein Qualifikation ersetzen würde, entgegnet die Vizerektorin entschlossen: "Das passiert in Graz definitiv nicht. Wir geben keine Jobgarantie. Und wir steigen auch nicht von unseren Qualitätsansprüchen herunter". An den Unis gäbe es ohnehin nur "verdammt wenige Stellen" und die neu zu besetzenden würden transparent ausgeschrieben und ebenso nachbesetzt werden. Eine Reihe von Kontrollinstanzen, vom Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen über die Qualitätsüberprüfung bis hin zum RektorInnenteam, überprüfe die Einhaltung von Qualität und Transparenz.

"Die besten Köpfe"

Im Gegensatz zur Steiermark bietet der Wissenschaftsstandort Wien zwar kein institutionalisiertes Dual-Career-Service an, Doppelkarrieren würden in Wien "natürlich trotzdem" ermöglicht werden, so Cornelia Blum, Pressesprecherin des RektorInnenteams der Universität Wien. Ob das etwa heiße, dass auf bestimmte Personen zugeschnittene Stellenausschreibungen veröffentlicht würden, um eine Stelle an ein/e Partner/in zu vergeben, wie von KritikerInnen befürchtet wird? "Natürlich nicht", antwortet auch Blum. Man sei zwar bemüht zu helfen, so gut es geht, aber Stellen würden natürlich trotzdem korrekt ausgeschrieben werden. Klare Ausschreibungen, klare Jobprofile und internationale Ausschreibungen sollen für Transparenz sorgen und gewährleisten, dass "die besten Köpfe" an die Wiener Universität geholt werden.

Kritik

KritikerInnen bemängeln nicht nur den Umstand, dass derartige Karrierezentren ihre angebotenen Hilfestellungen ausschließlich für ohnehin bereits privilegierte ProfessorInnen anbieten. Auch äußern sie die Befürchtung, dass PartnerInnen berufener ProfessorInnen bei Stellenbesetzungen bevorzugt behandelt werden könnten, dass also PartnerIn-Sein Qualifikation ersetzen könnte. Und auch hinsichtlich der frauenfördernden Wirkung derartiger Karrierezentren scheiden sich die Geister, denn: Während 80 Prozent der Wissenschafterinnen akademische Partner haben, haben nur neun Prozent der Wissenschafter akademische Partnerinnen. (Meri Disoski, 24. März 2011, derStandard.at)