Die ersten Frauen und Männer marschierten in Richtung Schwarzenbergplatz, die Stangenschilder im Gepäck. Der Anlass: Am 19. März feiern wir 100 Jahre Frauentag. Die Plattform "AUS! Aktion. Umsetzung. Sofort!" organisierte die Großdemonstration, die vom Schwarzenbergplatz über den Ring bis zum Parlament zog, wo die Abschlusskundgebung stattfand.

Die Bühne für den Auftakt am Schwarzenbergplatz - um 13:45 Uhr ging es los. Plakate wurden in Stellung gebracht.

Carla Amina Baghajati (Mitte) war auch unter den Rednerinnen zum Auftakt zur Jubiläumsdemonstration. Kurz bevor sie auf die Bühne gerufen wurde, beantwortete sie die Frage von dieStandard.at, was der heutige Tag und die Jubiläumsdemonstration für sie bedeutet so: "Hier wird Frauensolidarität gelebt und dem Pluralismus in der Gesellschaft wird Rechnung getragen. Heute ist der Kampfruf der 70er 'Wir Frauen' genauso stark, aber es ist ein bunteres 'wir Frauen'. Und wir haben natürlich gemeinsame Interessen. Wenn wir sagen, wir sind gegen Gewalt gegen Frauen oder wenn wir gleichen Lohn für gleiche Arbeit fordern, dann stehen wir Musliminnen genauso dahinter - wir sind in der Vielfalt der Zugänge dabei. Diese Frauensolidarität wie wir sie heute hier sehen brauchen wir immer, auch für den sozialen Zusammenhalt - das wäre ein wichtiger Impulsgeber für die oftmals sehr verkrampften Integrationsdebatten."

Foto: dieStandard.at/Beate Hausbichler

Ulli Weish, eine der Organisatorinnen der Demonstration. Die Frauen haben seit September an der Organisation und Mobilisation gearbeitet. 

"100 Jahre sind ein denkwürdiger Augenblick, davon müssen wir den nachfolgenden Generationen noch erzählen. Außerdem ist aktuell die automatische gemeinsame Obsorge ein besonderes Ärgernis", so die zwei Demonstrantinnen Alexa und Christina. Sie finden zwar, dass es zu wenige sind, ziehen aber den Vergleich zu den Demos zum Frauentag in den letzten Jahren: "Im Verhältnis zum 8. März sind es viele, aber grundsätzlich bin ich empört und mit der frauenpolitischen Gesamtsituation unzufrieden." Auf die Frage, warum sie da sind, meinten die beiden: "Damit es zwei mehr sind!" 

Der Schwarzenbergplatz füllte sich zunehmend mit Frauen und deren Transparenten.

Die Ökonomin Gabriele Michalitsch kommt mit "dem Gefühl zur Demonstration, dass es ein historischer Moment ist. Ich bin sehr berührt von diesen Frauen und Männern, die hier sind und denke, dass die 20.000 noch erreicht oder sogar übertroffen werden können", so die Politikwissenschafterin und Ökonomin beim Auftakt am Schwarzenbergplatz.

"Wenn heute nur 50 Frauen gekommen wären, hätte ich auswandern müssen", meinte Poetry Slammerin Mieze Medusa. Sie wollte am Schwarzenbergplatz am liebsten einen Computer um Fotos hochzuladen, die noch mehr Menschen locken sollten, dennoch: "Es ist schön hier. Für mich ist es selbstverständlich dabei zu sein und ich bin auch für meine drei Nichten hier, die in Vorarlberg leben und noch zu klein für so eine Demonstration sind."

Klare Ansage.

dieStandard.at/Ina Freudenschuß

Vor dem Parlament war gegen 16:00 Uhr die Zahl der BusucherInnen der Jubiläumsdemonstration wohl am Höhepunkt angekommen.

Die Stadträtin für Integration, Frauenfragen und KonsumentInnenschutz, Sandra Frauenberger, erinnert sich an ihre erste Frauendemonstration: "Die war 1985. Damals war ich eine junge Funktionärin in der Gewerkschaft. Der heutige Tag ist ganz wichtig, weil wir gemeinsam in der Öffentlichkeit Stärke zeigen. Ich empfinde die heutige Jubiläumsdemonstration auch als einen Aufbruch und das gibt Energie und macht uns Mut weiterhin Pflastersteine aus dem Sand zu reißen damit wir darunter den Strand finden."

Auch Ex-Politikerin Heide Schmidt wurde gesehen.

So mancher honorige Herr musste am Nachmittag des 19. März 2011 den Anliegen von DemonstrantInnen weichen.

Die Aktivistinnen vom Kindergartenaufstand fehlten natürlich auch nicht.

Die ehemalige ÖVP-Frauenchefin Maria Rauch-Kallat meinte gegenüber dieStandard.at: "Ein ganz wichtiges Zeichen für alle im Land - vor allem für die Männer -, dass es ein Irrglaube ist, für Frauen sei alles erreicht. Wir müssen noch kämpfen, das beginnt bei gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit bis hin zu den Spitzenpositionen für Frauen oder der Verpflichtung der Männer sich um gemeinsame Kinder zu kümmern. Auch Schutz vor Gewalt ist ein wichtiges Thema - alles alte Themen. Es hat sich zwar vieles verändert in den letzten 100 Jahren, aber wenn wir in dem Tempo weiter tun, brauchen wir nochmal hundert Jahre - mindestens. Und das wollen wir nicht."

Auf wie vielen Frauendemonstrationen ist sie schon gewesen? "Das kann ich nicht zählen, es waren zu viele."

Jung und politisch. Diese Demonstrantinnen wissen, was sie wollen: Eine Bürgermeisterin!

Und hier waren die Filzstifte für die Forderung "Gleiche Chancen für Mädchen!" im Einsatz.

Es waren sehr viele - so viel steht fest. Die Polizei sprach von 5.000, die Organisatorinnen schätzen die Zahl der Demonstrierenden auf 15.000.

In der Hitze des Gefechtes kann schon mal ein Bärtchen verrutschen, macht nix - lässt sich ja alles kleben.

Die Journalistin Elfriede Hammerl beschreibt sich bei der Demonstration im Kampf für Frauenrechte schon als etwas müde und abgekämpft und meint: "Es ist doch furchtbar, dass wir nach 100 Jahren schon wieder und noch immer hier stehen und ganz fundamentale Forderungen nicht erfüllt sind. Mich ärgert zunehmend auch die mangelnde Solidarität von Frauen. Ich bin mit den Öffis hier zum Schwarzenbergplatz gekommen, mir kamen scharenweise Frauen entgegen und ich fragte mich: Warum seid ihr nicht auf der Demonstration - es geht um eure Interessen!"

Demonstrantin Nina: "Ich hab das Gefühl,  es müssten viel mehr da sein, aber es ist natürlich schön, dass doch einiges an Kampfbereitschaft da ist. Ich finde es nach wie vor wichtig auf die Frauentagsdemos zu gehen - auch jenseits eines so großen Jubiläums. Wir müssen noch immer die Rechte von Frauen vertreten weil es noch immer Forderungen gibt, die umgesetzt werden müssen. Die Gehaltsschere muss weg und - was mir besonders wichtig ist -, dass die sogenannte Fristenlösung aus dem Strafgesetzbuch genommen wird. Das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch muss im Gesundheitsrecht verankert werden."

Auch gestrickt wurde zu dem denkwürdigen Anlass, hier kann Genaueres über die demonstrative Strickerei nachgelesen werden: Sichtbar gestrickt

Auch einige Vereine, die sich um Rechte für Migrantinnen einsetzen, waren da, wie etwa der Verein "LEFÖ - Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen".

Eine Zahl stand bei den ÖGB-Frauen im Zentrum: 1.300 Mindesteinkommen.

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (links) und die Vorsitzende des österreichischen Frauenrings Christina Pölzlbauer (rechts).

Die Organisatorinnen Petra Unger und Ulli Weish: "Uns geht es super, es könnten natürlich immer mehr sein, aber wir freuen uns riesig weil schon lange nicht mehr so viele für Frauenrechte auf der Straße waren."

Gabriele Heinisch-Hosek nach ihrer Rede auf der Bühne vor dem Parlament gegenüber dieStandard.at: "100 Jahre Frauentag sind Kampf und Erfolge, in größeren und kleineren Schritten. Sie sind aber auch ein Zeichen dafür, dass längst nicht alles erledigt ist, davon zeugen auch die vielen Frauen, die heute hier sind. Ich kann nicht schätzen, wie viele es sind, aber es sieht sehr kräftig aus und es ist ein starkes, lautes Zeichen, dass wir uns nicht mit einem Viertel oder weniger der Macht abspeisen lassen. Uns Frauen die Hälfte der Macht und die Hälfte der Familienarbeit den Männern."

Auf die Frage, ob das ihre erste Frauendemonstration sei: "Eine Frauendemonstration hab ich vorher noch nicht erlebt, es ist meine erste und es ist total eindrucksvoll!"

Nur hin und wieder tröpfelte es leicht, Regen blieb den Demonstrierenden aber erspart.

Kurz vor ihrem Auftritt auf der Bühne vor dem Parlament, wo die Abschlusskundgebung stattfand, trafen wir sie wieder und Mieze Medusa zeigte sich über die Menschenmenge begeistert: "Jetzt passt es!".

Terezija Stoisits: "Diese Form zu demonstrieren ist in gewisser Hinsicht auch irgendwie antiquiert, aber es ist Protestkultur, die trotzdem noch dazugehört. Wäre ich heute 22, dann würde ich vielleicht einen Flashmob oder eine andere Protestform organisieren, aber ich bin 52 und deshalb freu ich mich, dass das eine so wahnsinnig bunte Demonstration ist. Was mir hier auch besonders gefällt: Es ist eine Demonstration ohne Blöcke. In den 70er Jahren war das stärker getrennt, heute sind die KommunistInnen, die Schwarzen, die Grünen, die Autonomen, die MigratInnen da - niemand dominiert. Es dominieren die Frauen, und das finde ich super."  

"We can do it" in schickem Strick.

dieStandard.at/Ina Freudenschuß

Gegen 17:20 Uhr wurde es vor dem Parlament wieder etwas leerer.

"Diese Demonstration war erst der Anfang", sagte Barbara Klein von der Plattform "AUS!" bei der Abschlusskundgebung." Auf der Bühne fand sich nochmal ein Teil der Frauen ein, die über Monate an dem großen Jubiläum arbeiteten. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 19.3.2011)

Foto: dieStandard.at/Beate Hausbichler