Rund 140 Kernkraftwerke sind in ganz Europa in Betrieb. Geht es nach EU-Energiekommissar Günther Oettinger, sollen sie alle auf Herz und Nieren geprüft werden, nachdem die Unfallserie im japanischen Fukushima das fatale Restrisiko deutlich gemacht hat.

Österreichs Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) hat den Vorschlag der Belastungstest für europäische AKWs im EU-Umweltministerrat eingebracht. Noch in diesem Jahr sollen sie durchgeführt werden. Wie dieser umfangreiche Test genau aussehen soll, blieb vorerst unklar. Außerdem fehlt die rechtliche Grundlage, mit der die Europäische Union die Nuklearenergieländer zu einer Teilnahme verpflichten könnte. Und: Kann ein simulierter Stromausfall zu einem echten Störfall mutieren, wie 1986 im ukrainischen Tschernobyl?

"Ein Stresstest ist kein Experiment," erläutert Heinz-Peter Berg vom deutschen Bundesamt für Strahlenschutz. Er findet die Bezeichnung an sich sehr unglücklich gewählt, es sei ein Modewort. In erster Linie seien die Begutachtungsverfahren "reine Papierarbeit". Berg: "Man darf sich das nicht so vorstellen, dass an einem Reaktor gerüttelt wird. Es wird keine Tests in den Anlagen selbst geben." Ein Tschernobyl-Szenario ist also ausgeschlossen.

Auch Simulationsrechnungen, wie sie in Rechenprogrammen möglich sind, sind dem Experten zufolge vermutlich nicht vorgesehen. In einer EU-Arbeitsgruppe würden Kriterien für europäische Sicherheits- und Risikostandards definiert, im nächsten Schritt seien alle Länder aufgefordert, Antwort zu Kühlsystemen und Stromversorgung zu geben. Dass ein Land sich weigern könnte, kann Berg sich nicht vorstellen. Wie aussagekräftig das Ergebnisse eines solchen Stresstests schlussendlich sein kann, hänge stark von der Liste der definierten Kriterien ab. (juh/DER STANDARD, Printausgabe, 18.3.2011)