Foto: Schoenwetter Schallplatten

 

Wien - Im Bandnamen steckt etwas Infantiles: Bilderbuch - das klingt nach Illiteralität, nach großen Steinen für kleine Hände, Sabberlatz und Matchboxauto. Doch wenn der oberösterreichische Vierer in die Saiten und aufs Fell haut, verschwindet die Bedeutung des Bilderbuchs als Metapher fürs Kleinkindalter.

Dieses Bilderbuch hier befindet sich in einer Sturm- und Drangphase. Dringlichkeit ist das offensichtlichste Merkmal: Langsame Lieder sind für langsame Leute, Bilderbuch wollen aber schnell ans Ziel - wo auch immer das genau sein soll, ist egal. Das wird sich draußen auf der Überholspur schon noch zeigen. Die raushängende Zunge trocknet der Fahrtwind.

Bilderbuch sind Anfang Zwanzig und haben am Mittwoch im Wiener Flex ihr zweites Album Die Pest im Piemont (Schoenwetter Schallplatten / Hoanzl) live präsentiert. Das Konzert eröffnete eine weitere Deutungsmöglichkeit des Bandnamens: Die bildhafte Sprache der deutschen Texte überzeichnet Sänger und Gitarrist Maurice Ernst mit Gesten, die auf keiner Theaterbühne negativ auffielen. Kurze, elektrifizierte Handbewegungen sind das, denn viel Zeit hat er nicht dafür. Bilderbuchmusik bedeutet Atemlosigkeit, und das ist ihr einziges Problem, ein Problemchen.

Tanzbare Rockmusik

Denn einerseits kann das neue Album locker neben Arbeiten großer Bands bestehen, die hier wohl Inspiration gewesen sind: Der Referenzbogen reicht von den Strokes über The Rapture bis zu Franz Ferdinand. Allesamt Formationen, die Rockmusik wieder tanzbar machten, was sich via Bilderbuch auch im Flex-Publikum niederschlug. Bilderbuch wüteten durch ihr sehr gutes neues Album; dabei hätten ein paar Brüche gutgetan.

Am Album nimmt man den Affenzahn genügsam bis wohlwollend zur Kenntnis, erfreut sich an einer ausgewogenen Produktion und der lebendigen Spielart. Im Konzert hätte man gerne ein paar Songs gehabt, die neben der federnden Leichtigkeit etwas Schwere vermittelt hätten, ein bisserl zärtliche Brutalität.

Das Album leistet das in manchen Momenten, live fiel die Heaviness der Geschwindigkeit zum Opfer. Klar: Mit Bleigewichtern ist nicht gut sprinten. Trotzdem und deshalb zählen Bilderbuch zu den aufregendsten neuen Bands Österreichs, wirken trotz hörbarer Vorbilder nicht wie plumpe Kopisten. Dazu sind ihre Songs zu ausgefeilt, die Texte zu schräg, die Spielweise zu fanatisch. Hier wird selbst geblutet, und es ist kein Theaterblut. (Karl Fluch/ DER STANDARD, Printausgabe, 18.3.2011)