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Die Weltöffentlichkeit schaut auf Regierungssprecher Edano.

Foto: Kyodo News/AP/dapd

Das Jahr hatte so gut begonnen: Nach dem Wahldebakel der Demokratischen Partei im Sommer 2010, das Yukio Edano zur Last gelegt wurde, bekam er im Jänner eine zweite Chance.

Japans Premier Naoto Kan berief den 46-Jährigen als Nachfolger von Yoshito Sengoku zum Chefkabinettssekretär und Staatsminister für "Angelegenheiten von Okinawa und der Nördlichen Territorien".

Seit die Erde am Freitag um 14.46 Uhr gebebt hat, ist Edano das Gesicht der Katastrophen, die das Land beinahe im Stundentakt heimsuchen: das Erdbeben, der Tsunami, der Vulkan. Und der von aller Welt befürchtete Super-GAU.

Seite an Seite mit Premier Kan steht er seither fast stündlich Rede und Antwort über das Ausmaß des Untergangs. Sein Anzug ist einer blauen Arbeitsuniform gewichen, die man sonst von Ingenieuren oder Fabrikarbeitern in Japan kennt. "Solidarität", steht in unsichtbaren Lettern auf dem Blaumann. Ein nicht zu unterschätzender Aspekt in einem Land, das vom Prinzip "Ordnung durch Hierarchie" bestimmt wird.

Edano ist im Dauereinsatz. Wahrscheinlich hat er kaum geschlafen, eine Schreckensmeldung jagt die nächste. Er ist abhängig von den spärlichen Informationen der Techniker und Wissenschafter der betroffenen Reaktoren, immer wieder muss er seine Aussagen über die drohende Kernschmelze nachschärfen.

Eine 36-Millionen-Metropole gleichzeitig vor Panik und atomarer Verstrahlung zu bewahren, fordert seinen Tribut. Müde und abgespannt steht er im Fernsehen. Im Gegensatz zum Premier, der für seine Informationspolitik zunehmend kritisiert wird, ist die Glaubwürdigkeit seines Sprechers ungemein größer: "Edano nero!" - "Edano, schlaf!", fordern besorgte Blogger. In einem Land, in dem sich jährlich tausende Menschen zu Tode arbeiten, keine unberechtigte Sorge. Der berufsbezogene Tod hat in Japan einen eigenen Namen: Karoshi.

Vor dem Unglück machte sich das Gründungsmitglied der Demokratischen Partei einen Namen als einer der wenigen Abgeordneten, der früh Zweifel an Generalsekretär Ichiro Ozawas Erklärungen zum Spendenskandal äußerte. In der Chinapolitik als Provokateur bekannt - er nannte China "einen schlechten Nachbarn" - ist Edano engagiert, den Verwaltungsapparat Japans zu reformieren. Der seit 1991 eingetragene Anwalt ist zudem seit 2008 Gastprofessor am Seigakui Research Forum. (Julia Herrnböck, STANDARD-Printausgabe, 15.03.2011)