Zusammensetzung des ORF-Stiftungsrates

Grafik: DER STANDARD

Noch Monate bis zur Generalswahl am 9. August 2011 im Stiftungsrat, und das heitere Kandidatenraten ist längst voll im Gange. Aber was spricht für wen – und aus wessen Sicht? etat.at versucht in dieser Rubrik einen Überblick ohne Anspruch auf Vollständigkeit, nach Möglichkeit laufend ergänzt und aktualisiert. Die Länge der Argumente pro oder contra sind nicht zwingend ein Hinweis auf die Wahrscheinlichkeit der Wahl. Und: Pro und Kontra ist nicht gleichbedeutend mit gut oder schlecht. Sachdienliche Hinweise und Ergänzungen jederzeit willkommen.

Der nächste ORF-Chef oder die nächste ORF-Chefin braucht für seine Wahl zumindest 17 der 35 Stiftungsräte und eine Enthaltung – wenn auch die Ratsvorsitzende Brigitte Kulovits-Rupp für ihn oder sie stimmt. Stimmen des Vorsitzenden zählen bei Stimmengleichstand doppelt.

Im Stiftungsrat hat die SPÖ derzeit 15 der 35 Mandate. Schwierig daran: Wien (jedenfalls 1 rote Stimme) will den ORF-Umzug nach St. Marx, die Betriebsräte (2 rote Stimmen) wollen keine Absiedelung vom Küniglberg. Die ÖVP hat 12 Stimmen (davon ein Betriebsrat). Grüne, FPÖ, FPK und BZÖ haben je eine Stimme – wobei Huberta Gheneff (BZÖ) noch vor der Wahl einem neuen Orangen Platz machen könnte.

Die SPÖ-Spitzen trommeln seit Wochen, ihr Kandidat wäre Wrabetz. Wenn Gerhard Zeiler antritt, der erfolgreichste TV-Manager Europas und Sozialdemokrat, tun sich Rote wohl ein bisschen schwer mit der Argumentation, warum sie Wrabetz wählen. (fid)

Alexander Wrabetz, ORF-General, 50

Für Alexander Wrabetz' Wahl spricht...

  • Wrabetz muss sich keinen neuen Job suchen.
  • Wrabetz kennt den ORF nach fünf wechselvollen Jahren als Generaldirektor und neun Jahre als kaufmännischer Direktor, davor schon als Stiftungsrat.
  • Wrabetz hat die ORF-Finanzen (mit insgesamt 160 Millionen Staatshilfe, aber auch einem Sparprogramm) wieder von Tiefrot auf Schwarz gebracht.
  • Der Marktanteil des ORF-Fernsehens lag im Februar erstmals seit Jahren nicht mehr unter dem Vorjahreswert – mit Wintersport-Weltmeisterschaften und den Revolutionen in Nordafrika.
  • Medienstaatssekretär Josef Ostermayer (SP) und der rote Fraktionschef Niko Pelinka versichern Wrabetz bei jeder Gelegenheit roter Unterstützung.
  • Der bürgerliche kaufmännische Direktor Alexander Grasl sieht 2011 jedenfalls noch keine sichere Mehrheit für sich und stellt sich - jedenfalls demonstrativ – an Wrabetz' Seite.
  • Wrabetz ist schon seit Monaten bemüht, interne Kritiker und potenzielle Wähler freundlich zu stimmen – zum Beispiel mit merklich höheren Gehaltsklassen und Jobversprechen. Der Betriebsrat und Stiftungsrat und derzeitige Technikdirektor-Vertreter Michael Götzhaber etwa soll Technikdirektor werden, heißt es.
  • Mit Versprechungen oder Drohungen über künftige Direktoren oder Landesdirektoren könnte Wrabetz die (bisherige) Ablehnungsfront der ÖVP aufweichen.
  • Wrabetz hat schon in den vergangenen Monaten viele Personalentscheidungen (insbesondere die TV-Chefredaktion gegen Elmar Oberhauser) im Sinne der SPÖ erledigt.

Gegen Alexander Wrabetz' Wahl spricht...

  • Wrabetz hat viele Personalentscheidungen (insbesondere die TV-Chefredaktion gegen Elmar Oberhauser) ohnehin schon im Sinne der SPÖ erledigt.
  • Die ÖVP will jedenfalls nicht Wrabetz. Wenn sich die Regierungskoalition doch noch einigen will, wäre ein Alternativkandidat wie Amon oder gar Zeiler wahrscheinlicher.
  • Der Marktanteil des ORF-Fernsehens lag im Februar nicht mehr unter dem Vorjahreswert – mit Wintersport-Weltmeisterschaften und den Revolutionen in Nordafrika – erstmals seit Jahren.
  • Die ersten Jahre unter Wrabetz' Führung waren geprägt von den schwersten ORF-Verlusten seit Generalsgedenken, der wohl folgenschwersten Programmreform aller Zeiten mit ruckartigen Quotenverlusten und einer Reihe von Flops, schweren politischen Angriffen auch der eigenen roten Fraktion, die seinen Rückzug (zugunsten Amons) wollte, schwerster Konflikte mit dem eigenen Direktorium bis hin zur Abwahl von Infodirektor Elmar Oberhauser.
  • Der rot-rote Clinch zwischen Wien und Betriebsräten über den künftigen ORF-Standort könnte Stimmen kosten.
  • Die demonstrative Sympathie von FP-Chef Heinz-Christian Strache für Gerhard Zeiler bei Straches Aschermittwochsrede. Wrabetz kann die Stimmen der kleineren Oppositionsparteien gut brauchen.
  • Bisher schaffte nur Gerd Bacher die Wiederwahl zum ORF-General.
  • Wenn Gerhard Zeiler antritt, wird es wohl schwer zu argumentieren, warum man Wrabetz wählt.

Gerhard Zeiler, Chef der RTL Group, 55

Für Gerhard Zeilers Wahl spricht

  • Zeiler hat schon 1994 bis 1999 beim ORF und seither wirtschaftlich bei RTL und RTL Group gezeigt, dass er es zweifelsfrei kann. Das sollte eigentlich reichen.
  • Gegen Gerhard Zeiler zu stimmen, würde wohl auch einigen roten Stiftungsräten schwer fallen, wohl über Sympathien etwa der Landeshauptleute von Steiermark und Salzburg hinaus, deren Länder jeweils eine Stimme im Stiftungsrat haben.

Für Gerhard Zeilers Antreten spricht

  • Zeiler sitzt geschätzte 200 Tage pro Jahr im Flugzeug. Das kann man mögen, muss man aber nicht.
  • Zeiler vermisst Wien, sagen Menschen, die ihn gut kennen, er hat längst wieder eine Wohnung hier, und der ORF liege ihm am Herzen.
  • Mehr als 1,1 Milliarden Euro Ergebnis vor Steuern und 730 Millionen Euro Gewinn mit der RTL Group gleich nach einer Wirtschaftskrise sind wohl nicht mehr beliebig steigerbar. Das dachte man allerdings schon öfter von Zeilers RTL-Erfolgen.
  • Nicht wenige und durchaus wesentliche ORF-Mitarbeiter hoffen darauf.

Gegen Gerhard Zeilers Antreten spricht

  • Zeiler müsste sich wieder mit dem Mini-Parlament Stiftungsrat herumschlagen. Schon 1994 bis 1998 nervten ihn die ORF-Gremien besonders.
  • Die Politik müsste Zeiler wohl freie Hand für den ORF geben – warum sollte sie das tun?
  • Zeiler verdient bei RTL wohl zumindest das Zehnfache der rund 350.000 eines ORF-Generals.
  • Zeiler hat gerade seinen Vertrag bei RTL bis Ende 2015 verlängert. Aber Verträge kann man ja auch vorzeitig lösen, wenn sich beide Seiten auf die Bedingungen einigen.


Foto: STANDARD/Corn

Karl Amon, ORF-Radiodirektor, 61

Für Karl Amons Wahl spricht...

  • Kanzler Werner Faymann wollte Amon schon ab 2008/9 als ORF-General.
  • Wrabetz hat die ORF-Finanzen inzwischen (mit insgesamt 160 Millionen Staatshilfe, aber auch einem Sparprogramm) von Tiefrot auf Schwarz gebracht.
  • Die ÖVP will jedenfalls nicht Wrabetz. Wenn sich die Regierungskoalition doch noch einigen will, wäre ein Alternativkandidat wie Amon oder gar Zeiler wahrscheinlicher.

Gegen Amon spricht...

  • Er will nicht gegen Wrabetz antreten. Aber vielleicht überlegt es sich Wrabetz ja doch noch.
  • Man nimmt Amon durchaus ab, dass Radiodirektor sein Traumjob ist.
  • Bisher keine wirtschaftliche Führungserfahrung, jedenfalls nicht mit einem Milliardenunternehmen wie dem ORF, dem größten österreichischen Medienunternehmen. Aber die drängendsten Sanierungsaufgaben hat ja schon Wrabetz begonnen.

Richard Grasl, kaufmännischer ORF-Direktor, 38

Für Richard Grasl spricht

  • Kommunikationsfähigkeit und als Finanzdirektor gezeigte Entscheidungsfreude.

Gegen Richard Grasls Antreten spricht

  • Die ÖVP ist mit zwölf Mandaten nur zweitstärkste Fraktion. Also zu riskant.
  • Verliert er die Generalswahl etwa gegen Wrabetz, wird ihn der wohl kaum weiterhin als Finanz- oder gar Fernsehdirektor vorschlagen. Andererseits: Wolfgang Lorenz trat 2006 auch als Generalskandidat an und wurde Programmdirektor.


Foto: STANDARD/Hendrich

Thomas Prantner, Onlinedirektor des ORF, 46

Für Thomas Prantners Antreten spricht

  • Seinen Job als Onlinedirektor gibt es bei künftig vier statt sechs ORF-Direktoren ohnehin nicht mehr. Wrabetz forderte ihn schon zweimal auf, den Direktorenjob abzugeben, Prantner weigerte sich.
  • Bürgerliche und Freiheitliche können Gegenkandidaten zu Wrabetz brauchen.
  • Prantners Präsentation bei den Medientagen 2010 behandelte schon in der Projektion "Mein ORF". – Das allerdings bezog sich auf den Zugang des Zuschauers zu möglichst allen ORF-Formaten über möglichst viele technische Plattformen, die Prantner als "Mein ORF" zusammenfasste. A propos: Seit Dezember 2010 funktioniert die wichtigste Entwicklung von Prantners Onlinedirektion, die von vielen gelobte, aber nicht über alle Browser und Betriebssysteme gleich zugängliche TVthek, auch auf iPhone und iPad.


Elmar Oberhauser, Ex-Infodirektor des ORF, 64

Für Elmar Oberhausers Antreten spricht

  • Alexander Wrabetz ließ Oberhauser im Herbst 2010 vom Stiftungsrat abwählen. Die Wahl zumindest zu erschweren, könnte Oberhauser schon Spaß machen.

Gegen Elmar Oberhausers Antreten spricht

  • Vielleicht einigt sich Wrabetz ja noch gütlich mit Oberhauser über dessen ORF-Pensionsansprüche. Bisher klang er allerdings nicht danach.
Foto: STANDARD/Hendrich

Hans Mahr, Medienberater, "Falstaff"-Herausgeber, 61

Für Hans Mahrs Antreten spricht

  • Für einen ehemaligen Kreisky-Sekretär, ehemaligen Krone-Geschäftsführer, ehemaligen RTL-Infodirektor und ehemaligen Premiere-Vorstand wäre die Führung des ORF doch ein schöner Karriere-Schlusspunkt.

Gegen Hans Mahrs Antreten spricht

  • Für einen "Feinschmecker des Jahres" ist doch Herausgeber der deutschen "Falstaff"-Ausgabe der viel gschmackigere Job. Oder?


Foto: STANDARDZNewald

Michael Grabner, Medienberater und -gesellschafter, 62

Für Michael Grabners Antreten spricht

  • Für den ehemaligen Kurier-, Mediaprint- und Holtzbrinck-Geschäftsführer Grabner wäre die ORF-Führung doch ein schöner Karriere-Abschluss.

Gegen Michael Grabners Antreten spricht

  • Er hat eine Reihe Beteiligungen an Medienunternehmen – mit dem ORF-General unvereinbar. Andererseits kann die Prozente an oe24.at, atmedia und anderen auch ein anderes Familienmitglied übernehmen.

Markus Breitenecker, Geschäftsführer Sevenone Media Austria, Puls 4, 42

Für Markus Breiteneckers Antreten spricht

  • Könnte einer, der seit Jahren, Jahrzehnten Fernsehen machen will und inzwischen auch in kleinerem Rahmen kann, einem so großen Spielzeug widerstehen?

Gegen Markus Breiteneckers Antreten spricht

  • Breitenecker behauptet durchaus glaubwürdig, das er inzwischen nicht mehr will. Aber das kann sich ja wieder ändern, der Mann ist ja noch recht jung.

Karin (Resetarits) Kraml, ehemalige ORF-Mitarbeiterin, ehemalige Europaabgeordnete, Wirtin, 49

Für Karin Kraml spricht

  • Sie hat sich immerhin als Erste deklariert.
  • Sie will vermutlich als einzige Kandidatin mit allen gut 3000 ORF-Mitarbeitern reden – bei zwei am Tag müsste sie eigentlich in fünf Jahren Amtszeit gut durchkommen.
  • Sie kennt den ORF. Aber das können ja noch ein paar andere Kandidaten von sich behaupten.