Empfohlene Fastenspeisen im 16. und 17. Jahrhundert: Dazu gehörten der Hummer (Stillleben von Davidsz. de Heem) als "König der Krustentiere" ...

Foto: Kunsthandel de Boer (Amsterdam)

... und auch die Auster als "Königin der Meere" ("Der junge Genießer" von Henri Stresor).

Foto: Bernheimer (München)

Mit der Entstehung des Stilllebens als autonome Bildgattung spezialisierten sich einige Vertreter der flämischen Malerei in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts auf die Darstellung von Speisen bzw. gedeckten Tischen. Den Anfang machten üppige, mit kostbaren Speisen bestückte Schautafeln (Banketjes), die auf den Lebensstandard der Auftraggeber verwiesen, denen später der kleine Imbiss (Ontbitjes) folgte, der nur ein Frühstück oder eine Zwischenmahlzeit zeigte.

Beide der Kategorie Mahlzeitenstillleben zugehörigen Gattungen geben Einblick in die damaligen Essgewohnheiten. Waren, die es auf den städtischen Märkten zu kaufen gab, kontrastieren dabei nicht selten mit teuren importierten Lebensmitteln, darunter Austern, Oliven, exotische Früchte und immer wieder Konfekt und Zuckerwerk, arrangiert auf feinstem chinesischen Porzellan oder kunstvollen Silberschalen. Aufeinandergestapelte Käselaibe wurden wiederum ein typisches Merkmal für solche im Umkreis von Haarlem entstandenen Darstellungen.

Etwa in den 1630er-Jahren folgte eine Umgestaltung von großen Schautafeln auf Arrangements mit einigen wenigen Objekten bzw. Speisen. Solche kennt man etwa von Georg Flegel, der allerdings nur Tafelgerät und Lebensmittel gemalt haben soll, die nur in Frankfurt erhältlich waren.

Strotzend sind seine Arbeiten eher in der Symbolik am Beispiel eines 1635 gemalten Frühstücks, das nur auf den ersten Blick einfach wirkt. Tatsächlich repräsentiert jedes einzelne Objekt eine Botschaft: Der Weinkelch als Symbol für die Eucharistie, der Brotlaib erinnert an das letzte Abendmahl und steht für den sich der Menschheit opfernden Christus, der gleichzeitig durch den Hering symbolisiert wird. Selbst der Hirschkäfer ist kein lästiges Insekt, sondern versinnbildlicht das Böse, das sich Christus widersetzt.

Je schlichter die Mahlzeit, desto stärker der allegorische Hintergedanke, eine Regel, die auch für Werke von Pieter Claesz anwendbar ist: Die Proletenforelle mit Weckerl, begleitet vom obligaten Bier, versteht sich nämlich als deutliche Aufforderung zur Mäßigung.

Natürlich gab und gibt es solche moralischen Botschaften auch in der Luxusversion, wie Jan Davidsz. de Heems Stillleben mit Hummer (450.000 Euro) belegt, das der Kunsthändler Niels de Boer im Rahmen der Tefaf Kunst- und Antiquitätenmesse (18.-27. März 2011) ab kommender Woche offeriert.

Nur wenige werden angesichts dieser Delikatesse an die Auferstehung Jesu denken wollen, wiewohl diese Symbolik überliefert ist, weil der Hummer am Ende des Winters seine alte Schale durch eine neue ersetzt. Gleichzeitig verkörperte der König der Krustentiere seit der Renaissance die prunkvolle Seite der in der Fastenzeit empfohlenen Speisen.

Die in zahllosen Stillleben dargestellte Auster wurde schon in der Antike als kulinarischer Luxus geschätzt - und als Aphrodisiakum, enthüpfte ihr doch gemäß der Mythologie auch die Liebesgöttin. Dass Julius Caesar England gar deshalb eroberte, um an die köstlichen englischen Austern zu kommen, ist hingegen als charmante Fantasie englischer Historiker zu werten.

Im Mittelalter diente sie Menschen in den Küstenregionen als billiges Nahrungsmittel, zeitgleich galt die an Mineralstoffen und Vitaminen reichhaltige Muschel ab dem 15. Jahrhundert vor allem in aristokratischen Kreisen als kostbare Spezialität.

Historischer Austern-Boom

In der Küche der Renaissance war sie bereits fixer Bestandteil, wie aus dieser Zeit erhaltene Rezepte dokumentieren. Marx Rumpolt, Mundkoch am Hof des Mainzer Kurfürsten, veröffentlichte etwa in seinem Ende des 16. Jahrhunderts publizierten Kochbuch ein Kapitel "Von Austern was daraus zu machen seie".

Auch in Österreich verfiel man dem außergewöhnlichen Leckerbissen, und der Handel damit wurde im 17. Jahrhundert zu einem Hofprivileg ("Austern- und Müscherl-Appalto"). Johann Baptist Vidali, ein solcherart privilegierter Händler, wurde gar verpflichtet, nur venezianische Austern, keinesfalls solche aus Triest und minderer Qualität einzuführen. Ein historisches Dokument aus jener Epoche, in der die Auster endgültig zur "Königin der Meere" avancierte, hat der Münchener Altmeisterspezialist Konrad Bernheimer (München) auf Lager: ein von Henri Stresor (1613-1679) gemalter Austern-Liebhaber (1,75 Mio. Euro). Es handelt sich dabei jedoch weniger um ein Repräsentationsbildnis, als es einen Pagen (mit schmutzigen Fingernägeln) zeigt, der wohl beim unerlaubten Naschen ertappt wird.

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts stieg der Austernkonsum so gewaltig, dass er nahezu für das Ende des natürlichen Vorkommens in europäischen Gewässern sorgte. Die Austernbänke wurden mit pazifischen Gattungen besiedelt und gelten seither wieder als kostspieliges Tafelvergnügen.

Insofern wird die Eröffnung der Tefaf als weltweit wichtigste Kunst- und Antiquitätenmesse kommende Woche standesgemäß zelebriert: Traditionell kredenzt man dort zur Vernissage jedes Jahr zu Unmengen an Champagner auch an die 6000 Austern. (Olga Kronsteiner, DER STANDARD/ALBUM - Printausgabe, 12./13. März 2011)