Shahrokh Shariat (37), Professor für Urologie und Onkologie am Memorial-Sloan Kettering Cancer Center und am Weill Cornell Medical Center in New York. Er ist in Wien aufgewachsen und hat an der Med-Uni Wien studiert.

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Bei der Behandlung von Blasenkrebs ist Teamwork entscheidend, sagt der Urologe Shahrokh Shariat. Mit Karin Pollack sprach er über seine genetischen Forschungsprojekte, Awareness unter Ärzten und fächerübergreifendes Denken.

Standard: Was ist die größte Herausforderung bei Blasenkrebs?

Shariat: Es ist sehr wichtig, Blasenkarzinome in einem möglichst frühen Stadium zu erkennen, um die Heilungschancen zu erhöhen. Dafür sollten wir Urologen intensiver als bisher mit den Hausärzten zusammenarbeiten. Frauen mit Blasenkrebs etwa werden oft fälschlicherweise wegen Harnwegsinfekten behandelt.

Standard: Was macht die Behandlung schwierig?

Shariat: Patienten mit Blasentumoren müssen sich, weil der Krebs oft wiederkommt, oft einer Blasenspiegelung unterziehen. Das ist nicht nur unangenehm, sondern auch teuer. Amerika denkt hier sehr kostenbewusst. Es geht darum, mit Biomarkern das Procedere der Blasenspiegelung präziser zu machen. Wenn sich Krebszellen im Harn nachweisen lassen, können Patienten zu Hause oder beim Hausarzt solche Biomarker-Tests durchführen. Nur auffällige Befunde müssen ins Spital. An den großen Zentren hier wird bei Früherkennung, Behandlung und Nachsorge bereits mit Biomarkern gearbeitet.

Standard: Warum entstehen Blasenkarzinome?

Shariat: Durch eine Kombination verschiedener Faktoren. Der größte Risikofaktor ist Rauchen. Kampagnen vor allem bei Jugendlichen sind extrem wichtig. Es gibt aber auch molekulare Voraussetzungen. Wir haben eine DNA und RNA-Typisierung von Blasenkarzinomen durchgeführt und konnten eine Reihe von Fusionsgenen und Translokationen entdecken. Die Tumorentstehung ist ein komplexes Zusammenspiel von fehlgeleiteten Signalwegen. Wenn wir einen Durchbruch in Diagnose und Therapie wollen, geht es darum, diese Signalwege zu entschlüsseln, in Gruppen zu teilen und spezifische Therapieprotokolle zu erarbeiten. Ich denke, dass auch molekulargenetische Prognosefaktoren wichtig sind. Nicht jeder Blasentumor ist aggressiv, hier sollten wir stärker als bisher differenzieren.

Standard: Gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede?

Shariat: Ja. Blasenkrebs ist bei Frauen seltener, dafür molekular oft aggressiver, etwa jene Tumore, die Her2, Östrogene und Androgene exprimieren. Sie müssen aggressiv behandelt werden. Je fortgeschrittener ein Tumor, umso schlechter die Überlebensrate. Wege für geschlechtsspezifische Behandlung sind daher wichtig.

Standard: Gibt es schon Ansätze?

Shariat: Unterschiedliche Fachrichtungen wie Onkologie, Radiologie, Pathologie und Gynäkologie sollten viel intensiver mit der Urologie zusammenarbeiten. Hier an der Cornell University haben wir gerade ein Exzellenzzentrum gegründet und arbeiten stark fächerübergreifend. Nur im Teamwork sind gute Ergebnisse möglich. Die Integration von Gesundheitsorganisationen und die Partnerschaft mit der Industrie sind wichtig, um für Blasenkrebserkrankte neue Therapien zu schaffen. Aber auch Selbsthilfegruppen spielen eine große Rolle.

Standard: Ist urologische Onkologie auch High-Tech-Medizin?

Shariat: In der Diagnostik sicherlich, auch bei Operationen arbeiten wir Roboter-assistiert, weil wir so weniger Komplikationen, kürzere Spitalsaufenthalte und weniger postoperative Schmerzen nach den Eingriffen haben. Ich denke, dass bei der Entfernung der Blase, der Zystektomie, Lebensqualität Priorität hat und möglichst organerhaltend und schonend operiert werden sollte. (Karin Pollack, DER STANDARD Printausgabe, 14.3.2011)