Die Kläranlage in Simmering reinigt 220 Milliarden Liter Abwasser der 1,7 Millionen WienerInnen pro Jahr - Ein Rundgang

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"It's the main sewer, runs right into the Blue Danube. Smells sweet, doesn't it?", fragt Sergeant Paine im "Third Man", einem Spielfilm aus dem Jahr 1949, in einer Szene in der Kanalisation Wiens. Damals flossen noch alle Abwässer ungefiltert in die Donau. Heute verfügt die Hauptstadt mit der ebswien in Simmering über eine der modernsten Kläranlagen der Welt.

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Wien war europaweit die erste Stadt, die schon im 18. Jahrhundert innerhalb der Stadtmauern komplett kanalisiert war. Doch erst 1951 begann die Abwasserreinigung in Wien. Davor war die "Abwasserfahne" flussabwärts der Stadt deutlich merkbar.

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Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Notleine gezogen und mit der Planung einer Kläranlage begonnen. Zunächst gingen zwei kleine Anlagen am Liesingbach in Betrieb: 1951 war das die "Gelbe Heide" in Inzersdorf und 1969 "Blumental". Vor 30 Jahren wurde schließlich die Hauptkläranlage Wien in Simmering eröffnet, die 2005 erweitert wurde.

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Auf einer Fläche von 420.000 Quadratmetern reinigt die ebswien Hauptkläranlage insgesamt 220 Milliarden Liter Abwasser pro Jahr: Es stammt von 1,7 Millionen WienerInnen sowie von Industrie und Gewerbe. Das entspricht etwa 35 vollen Badewannen pro Sekunde. ebswien steht im Eigentum der Stadt Wien.

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Der Standpunkt wurde gewählt, da er topographisch am tiefsten Punkt Wiens liegt. So kann das Abwasser fast zur Gänze im freien Gefälle fließen. Gesteuert wird alles von einem zentralen Raum aus: 165 MitarbeiterInnen - vom Schlosser bis zum Techniker - sorgen dafür, dass alles reibungslos abläuft und das Wasser von Autoreifen bis hin zu kleinsten Schwebestoffen befreit wird. Pro Woche macht das 15 Tonnen Material aus.

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Wenn das Abwasser die Kläranlage erreicht, wird es zunächst von Feststoffen, Schotter und Kies im Schotterfang gerenigt. Pressesprecher Karl Wögerer berichtet von skurrilen Funden: "Vor Jahrzehnten wurden kleine Schildkröten herausgefischt, einige waren noch am Leben. Das wäre aber heute nicht mehr möglich, da sich die Maschinen verändert haben. Die Tiere hätten keine Überlebenschance."

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Die Schildkröten wurden von Mitarbeitern aufgepäppelt und leben heute im Biotop vor dem Eingang zur Kläranlage. "Im Sommer kann man ihnen beim Sonnenbad zuschauen", berichtet Wögerer. Nicht so gut erging es einer Schlange, die vor einigen Jahren nur noch tot geborgen werden konnte.

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Sechs Schneckenpumpen heben das Abwasser fünf Meter in die Höhe, damit es im natürlichen Gefälle die Kläranlage durchfließen kann. Das Wasser hat eine kontinuierliche Temperatur von etwa 12 Grad, da es schon aufgewärmt von Badewannen, Geschirrspülern und Waschmaschinen kommt. Daher muss im Winter nicht nachgeheizt werden.

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In der Rechenanlage werden weitere Schwimm- und Schwebstoffe mit Hilfe von dünnen Metallstäben, die in sechs Millimeter Abstand aneinander gereiht sind, aus dem Abwasser gefiltert. Einen Zoom ersparen wir dem Leser an dieser Stelle. Übrigens: "Das Problem mit Strumpfhosen ist nicht so gravierend, viel schädlicher für unsere Maschinen sind große Holzstücke, die die Metallstäbe verbiegen", berichtet Karl Wögerer.

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Dennoch betont Wögerer: "Das Klo ist kein Müllschlucker. Katzenstreu oder Kondome gehören in den Restmüll und nicht runtergespült. Das einzige, was rein darf, ist Klopapier." Die Stoffe werden getrocknet, zentrifugiert und in orange Container verfrachtet. Der Inhalt kommt in die benachbarte Fernwärme Wien und wird dort thermisch verwertet.

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Im Sandfang fließt das Wasser sehr langsam, damit sich feinere Feststoffe, Sand und Asche absetzen können. Wögerer hat noch ein Anliegen: "Auch Zigarettenstummel gehören nicht in den Kanal."

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Die letzte Stufe der mechanischen Reinigung ist die Vorklärung, bei der sich der "Primärschlamm" am Beckenboden absetzt. Ein sogenannter Räumer schiebt die Reste in Sammelrinnen. 30 Prozent der Schmutzstoffe sind nun bereits aus dem Abwasser entfernt worden.

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Danach folgt die biologische Reinigung: Hier kommen die Pantoffel-, Trompeten- und Glockentierchen ins Spiel, denn ihre Leibspeise sind kleine Schmutzpartikel. Je nach Verschmutzungsgrad wird die jeweils nötige Sauerstoffzufuhr gesteuert.

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Die Frage, ob es besonders "schmutzige" Bezirke gebe, kann Wögerer nicht beantworten: "Wir können im Endeffekt nicht mehr rekonstruieren, wo die Abwässer herkommen." Insgesamt verbraucht jeder Wiener täglich 130 Liter Wasser.

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Die biologische Reinigung orientiert sich an der Natur. Im Belebungsbecken der ersten biologischen Stufe wird das Abwasser mit Sauerstoff aus einem "Kreisbelüfter" aufgewirbelt. Diesen brauchen jene Mikroorganismen, die für den Kohlenstoffabbau sorgen.

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Nach dem Sturm folgt die Ruhe: Im nächsten Durchgang gelangt das Abwasser in das Zwischenklärbecken, wo es sich mit nur einem Zentimeter pro Sekunde bewegt. Dort setzen sich die Mikroorganismen gemeinsam mit dem aufgenommenen Schmutz als Klärschlamm ab. Er besitzt eine flockenartige Struktur, weshalb er zur Beckensohle sinkt.

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Nach dem Durchlaufen eines Zwischenpumpwerks wird das Wasser im Belebungsbecken wieder in schnelle Bewegung versetzt. Ein spezielles Belüftungssystem sorgt abermals für ein optimales Lebensumfeld für Mikroorganismen: Ein- und Mehrzeller bauen hier Stickstoff ab.

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Im freien Areal der Kläranlage Simmering fällt auf, dass es kaum übel riecht. "Parfümerie sind wir keine", scherzt Wögerer. Um eine Geruchsbelästigung zu vermeiden, sind unter anderen Schotterfänge, Schneckenpumpwerk und Rechenhaus abgedeckt. Die abgesaugte Luft wird über eine Abluftbehandlung mittels Biofilter geleitet.

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Nun gelangt das Wasser in die zweite biologische Stufe, die erst seit knapp sechs Jahren in Betrieb ist. Ab diesem Zeitpunkt ist das Wasser fünf Stunden unterwegs und verweilt danach weitere 15 Stunden in den Belebungsbecken der zweiten Stufe.

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Jedes der 15 Becken würde Platz für einen Gasometer bieten. Bislang ist übrigens noch niemand in das Abwasser gefallen. Die Arbeiter sind immer zu zweit unterwegs und die Sicherheit im Betrieb wird regelmäßig von externen Stellen überprüft.

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Einige Daten zum Umweltschutz: Pro Tag fallen 30.000 Kilogramm Überschussschlamm an. Pro Jahr werden durch die Reinigungsstufen 1000 Kilogramm gefährlicher Laborabfall, 8000 Kilogramm Altöle und rund 30.000 Kilogramm Eisen- und Stahlabfälle entfernt.

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Die Tim & Trixi-Tropfführungen erklären Kindern auf spielerische Weise den Kreislauf des Wasser. Unter anderen gibt es einen Animationsfilm und ein Modell der Kläranlage. Auch für die Erwachsenen gibt es an Samstagen kostenlose Führungen.

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Nach 20 Stunden verlässt das geklärte Abwasser die Anlage wieder und fließt über den Donaukanal in die Donau. Es ist zu diesem Zeitpunkt von 95 Prozent der Schmutzstoffe befreit. Bevor es in die Freiheit geht, muss der Fluss noch in ein Analysebecken. Das Wasser ist übrigens ganz schwarz, da es keine Schwebstoffe mehr enthält und das Licht nicht mehr gebrochen wird. Dieses Phänomen ist auch beim Rio Negro zu beobachten.

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In den vergangenen Jahren hat das schwarze Wasser immer wieder zu Irritationen unter der Wiener Bevölkerung geführt. "Wir hatten schon Feuerwehreinsätze deshalb", sagt Wögerer. Das Wasser fließt von einer Höhe von fünf Metern über eine Turbine in den Donaukanal. Das Gefälle kann dadurch noch einmal zur Energiegewinnung genutzt werden. (Julia Schilly, derStandard.at, 11. März 2011)

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