Wien - An der Uni Wien sieht man  die Überprüfung von  EU-Kommissar Johannes Hahns Doktorarbeit als abgeschlossen an, wie eine Sprecherin des Rektorats der APA versichert. Dieser sei durch das Gutachten der Uni Zürich entlastet worden, das auch transparent zugänglich gemacht worden sei. Solange keine neuen Fakten an Studienpräses Brigitte Kopp herangetragen würden, gebe es keinen Anlass für weitere Untersuchungen. Allerdings könne jeder neue Informationen an Kopp herantragen, die dann entscheide, ob und wie den neuen Vorwürfen nachgegangen werde. "Das gilt immer und für jede wissenschaftliche Arbeit, egal wer sie geschrieben hat."

Im Gespräch mit derStandard.at sagt Kopp: "Wenn es eine Anzeige gibt, sind wir dazu verpflichtet, die Arbeit noch einmal eingehend zu überprüfen und das würden wir dann auch tun". Derzeit liege keine Anzeige vor, einzig die Tatsache, dass etwa Peter Pilz Hahns Dissertation noch einmal überprüfen lässt, sei für sie kein Anlass, Hahns Arbeit noch einmal zu durchleuchten.

Der designierte Rektor der Universität Wien, Heinz Engl, will zum erneuten Plagiatsvorwurf gegen Hahn vorerst nichts sagen. Als das Thema erstmals behandelt worden sei, sei er noch nicht an der Uni Wien gewesen, so Engl bei einer Pressekonferenz am Montag. "Außer öffentlichen Darstellungen gibt es derzeit keine konkrete Anzeige", meinte Engl. Sollten aber neue Fakten auftauchen, werde die Arbeit "wie bei jedem anderen auch" vom zuständigen Organ ordentlich geprüft.

Initiative

Seit heute kann übrigens eine "Initiative für Transparenz in der Wissenschaft" unterzeichnet werden.  Der Begründer der Initiative, Herbert Hrachovec vom Institut für Philosophie der Universität Wien, will damit dagegen protestieren, dass die Uni-Leitung den Plagiatsvorwürfen gegen Hahn nicht nachgehe, sagt er gegenüber der APA.

Hrachovec hat vor zwei Jahren eine Analyse der ersten 100 Seiten der Dissertation Johannes Hahns angestellt und im Internet veröffentlicht. Als im Rahmen der Plagiatsaffäre um den deutschen Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg die Dissertation von Ex-Wissenschaftsminister Hahn wieder Thema wurde, hat Hrachovec einen Brief an die Universitätsleitung geschrieben, in dem er diese zum Handeln aufforderte. Eine Reaktion sei jedoch ausgeblieben.

In dem Schreiben wirft Hrachovec der Uni vor, "mit einer ausgeklügelten Strategie die transparente Behandlung dieses Problems verhindert" zu haben. Er sehe das "als Beleg der rücksichtslosen Realpolitik, die ich immer wieder beobachten konnte".

"Unzureichenden Textgrundlage"

Konkret wirft Hrachovec der Uni vor, sie habe dem Gutachter der Uni Zürich nur Ausschnitte der Dissertation Hahns zur Verfügung gestellt. Auf Basis dieser "unzureichenden Textgrundlage" habe dieser kein Plagiat nachweisen können. Das sage aber nichts über die Arbeit insgesamt aus. Hahns Arbeit sei "nicht nur inhaltlich gehaltlos (und stellenweise lächerlich)", sondern genüge darüber hinaus nicht wissenschaftlichen Minimalstandards", schreibt der Philosoph in dem Brief.

Diese Vorwurf weist Kopp im Gespräch mit derStandard.at entschieden zurück. Das Gutachten der Ombudstelle der Uni Zürich sei für jeden einsehbar, erklärt sie. In den Gutachten heißt es: Es könne " nicht von Plagiat gesprochen werden, da Hahn explizit den Debattenbeitrag Kohrs herausgreift, mehrfach auf das Original verweist und dann seine Kommentare dazu auch optisch davon abhebt. Selbstverständlich hätte Hahn in diesen Passagen korrekterweise überall Anführungszeichen setzen müssen, jedoch kommt der Leser nie auf die Idee, die verhandelten Sachen seien das Resultat der Forschung von Hahn."

Kollektive Plagiatssuche

Hrachovec kritisiert indes, dass eine weitere Überprüfung der Doktorarbeit unmöglich gemacht worden sei, da von den vier Exemplaren, die es zur Zeit von Hahns Abschluss von Abschlussarbeiten geben musste, keines mehr auffindbar sei. Er selbst verfüge allerdings über ein Exemplar, eine Analyse der ersten 100 Seiten ist außerdem auf die deutsche Seite Plagipedia verlinkt worden, auf der kollektiv überprüft wird, ob (vornehmlich deutsche) Politiker in ihren wissenschaftlichen Arbeiten abgeschrieben haben.

"Würde Hahns Dissertation in Plagipedia reingestellt, kann man davon ausgehen, dass es so ausgeht wie bei Guttenberg", ist der Philosoph überzeugt, dass Hahn plagiiert hat. Doch schon die Analyse der ersten hundert Seiten, die sich seit dem Guttenberg-Skandal hunderte Personen besorgt hätten, zeige, "dass es der Universität Wien im Vergleich zu Bayreuth die wissenschaftliche Integrität fehlt".

Karls Arbeitskreis

Wissenschaftsministerin Beatrix Karl  hat nun als Reaktion auf die aktuelle Plagiatsdebatte eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Diese soll klären, "wo wir stehen und welche Maßnahmen gesetzt werden, um solche Fälle aufzudecken oder von vornherein zu verhindern", so Karl zur APA. Bereits heute, Montag, Nachmittag wolle sie sich "für eine erste Bestandsaufnahme" mit Vertretern von Universitäten, Fachhochschulen, Privatuniversitäten und der Österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität (OeAWI) treffen. (APA/burg, derStandard.at, 7. März 2011)