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Der „Delinquent" stellt sich der Meute: Am Dienstag erklärte Minister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) im deutschen Verteidigungsministerium seinen Rücktritt. Bis ein Nachfolger gefunden ist, übernimmt Außenminister Guido Westerwelle (FDP) kommissarisch das Amt.

Foto: REUTERS/Thomas Peter

Endlich mal keine Fragen zu Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und seiner Dissertation! Das mag sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstagmorgen beim Blick auf den Terminkalender des Tages gedacht haben. Der traditionelle Rundgang auf der Cebit in Hannover, der weltgrößten Computermesse, stand auf dem Programm.

Doch als Merkel um neun Uhr eintrifft, hat Guttenberg sie bereits von seinem geplanten Rücktritt informiert. Für Merkel kommt die Mitteilung völlig überraschend. Sie hatte, als immer deutlicher wurde, dass Guttenberg Teile seiner Dissertation abgeschrieben hatte, zunächst eisern am „Star" ihres Kabinetts festgehalten. Und nach der Aberkennung des Doktortitels durch die Universität Bayreuth schien das Gröbste überstanden gewesen zu sein.

"Schmerzlichste Schritt" seines Lebens

Doch am Dienstagmorgen wollte Guttenberg offenbar nicht mehr. Er lässt sich ins Verteidigungsministerium fahren und verkündet dort seinen Rücktritt: Er ziehe, „da das Amt, die Bundeswehr, die Wissenschaft und auch die mich tragenden Parteien Schaden zu nehmen drohen, die Konsequenz, die ich auch von anderen verlangt habe und verlangt hätte". Dies sei „der schmerzlichste Schritt" seines Lebens, sagt Guttenberg und erklärt zum Schluss: „Ich war immer bereit zu kämpfen, aber ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht."

Zu Beginn dieser Woche war Guttenberg wieder massiv im Kreuzfeuer gestanden. Es waren diesmal keine neuen Zitate ohne Quellenangaben in seiner Dissertation, die für Aufregung sorgten. Doch es zeigte sich, dass auch die Solidarität in der Union zu bröckeln begann. Norbert Lammert (CDU), nicht „irgendein Hinterbänkler", sondern Bundestagspräsident, kritisierte Guttenberg und seine Dissertation massiv. In Berlin machte das Gerücht die Runde, Lammert habe CDU-intern erklärt, die Affäre sei „ein Sargnagel für das Vertrauen in unsere Demokratie".

Schavan "schämt" sich

Besonders muss Guttenberg ein Blick in die Süddeutsche Zeitung getroffen haben. In dem Blatt, das die Plagiatsaffäre aufgedeckt hatte, sagte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU), sie „schäme" sich für Guttenberg.

Schavan zählt sonst zu den eher leiseren, zurückhaltenden Ministern in Merkels Kabinett, ist aber eine enge Vertraute Merkels. In Berlin geht man davon aus, dass sie von Merkel vorgeschickt worden ist, um den Stimmungsumschwung einzuleiten.

Denn spätestens am Montag muss Merkel klar geworden sein, dass sie die Affäre Guttenberg noch lange begleiten und vermutlich auch selbst schwer beschädigen könnte, wenn sie weiterhin am umstrittenen Verteidigungsminister festhält.

Offener Brief

Mehr als 20.000 Doktoranden erklärten in einem Offenen Brief, dass Guttenberg dem Wissenschaftsstandort Deutschland schade. Merkel warfen sie „Verhöhnung" aller wissenschaftlichen Mitarbeiter vor. Dies bezog sich auf eine Aussage Merkels, dass sie Guttenberg als Verteidigungsminister und nicht als wissenschaftlichen Assistenten in ihr Kabinett berufen habe.

Am Dienstagnachmittag, als Merkel zum Rücktritt Guttenbergs Stellung nimmt, ist sie sichtlich betroffen. Sie erklärt, sie habe die Bitte nach einem Rückzug „schweren Herzens" angenommen und wolle mit ihm noch persönliche Gespräche führen.
Unklar ist zu diesem Zeitpunkt noch, ob Guttenberg vielleicht sein Bundestagsmandat behalten möchte. In seiner Erklärung am Vormittag hieß es zwar, dass er sich von seinen „politischen Ämtern" zurückziehe. Offenbar gab es in der CSU-Landesgruppe aber Versuche, ihn in der Fraktion zu halten, ein Rücktrittsgesuch lag am Nachmittag nicht vor.

Spiegel online kommentierte den Abgang von „Dr. Googleberg" übrigens noch einmal mit einschlägigen Begriffen und betitelte die Geschichte mit: „Copy, paste, delete." (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, Printaugabe, 2.3.2011)