Wien - Justizministerin Claudia Bandion-Ortner pocht auf die grundsätzliche Fortsetzung der gemeinsamen Obsorge nach Scheidungen. In der Nationalratssitzung am Dienstag versuchte sie, den Abgeordneten ihren entsprechenden Gesetzesentwurf schmackhaft zu machen - dieser sei ausgewogen und gehe auf die Bedürfnisse von Kindern ein, meinte sie im Rahmen der teilweise recht emotionalen "Aktuellen Stunde" der ÖVP. Die SPÖ sprach sich abermals gegen eine automatische gemeinsame Obsorge nach Scheidungen aus.

Justizministerin wirbt mit deutschem System

Es gehe um "Kinderpolitik" und nicht um Frauen- oder Väterpolitik, erklärte die Ministerin zum Thema "Mutter und Vater für das Kind: Reformschritte für eine gemeinsame Obsorge". Sie appellierte an die Abgeordneten, das Thema "nicht zum Kampf der Geschlechter" zu machen. Die politischen Gespräche mit der SPÖ würden in den nächsten Tagen stattfinden, bekräftigte sie. Geht es nach Bandion-Ortner, soll die gemeinsame Obsorge nach einer Scheidung aufrecht bleiben, es sei denn, das Kindeswohl wäre gefährdet. In Deutschland gebe es so eine Lösung seit 1998 und die habe sich "sehr bewährt", warb die Ministerin für ihr Modell. Wenn Gewalt im Spiel sei, werde natürlich die Obsorge entzogen, aber man müsse nicht "ein Herz und eine Seele" sein für die gemeinsame Obsorge.

Auch uneheliche Kinder hätten ein Recht auf beide Elternteile, es solle eine Antragsrecht auf Obsorge für Väter geben. Um Entfremdung zu verhindern, sollen Besuchsrechtsverfahren beschleunigt werden, und sie plane u.a. ein gesetzliches Mindestbesuchsrecht und die Möglichkeit eines provisorischen Besuchsrechts. Die Ministerin möchte weiters eine Familiengerichtshilfe einführen und Richtern etwa die Möglichkeit geben, Eltern zu Beratung oder Mediation zu schicken.

SP skeptisch gegenüber "verordneter Harmonie"

Es gehe nicht um einen "Kampf", sondern um Lösungen für die betroffenen Menschen, entgegnete SPÖ-Familiensprecherin Gabriele Binder-Maier. Eine automatische gemeinsame Obsorge sei eine "verordnete Verpflichtung", die kein Verständnis der Eltern voraussetze. "So einfach ist das nicht", wenn sich Eltern nicht auf eine gemeinsame Obsorge einigen können, habe das Gründe. Sie sei überzeugt, dass "verordnete Harmonie" zu noch mehr Problemen führe und einen "Rückschritt" im Familienrecht bedeute, so die Abgeordnete. Es brauche maßgeschneiderte Lösungen.

Automatik für FP ganz wichtig

Norbert Hofer von der FPÖ sprach von einem "Trauerspiel", denn es sei schade, dass man bei einem wichtigen Thema wieder die Situation habe, dass die Regierungsparteien miteinander streiten. Die gemeinsame Obsorge sei eine der wichtigsten Maßnahmen, die man für das Kindeswohl umsetzen könne. Man solle doch bitte nicht von Extremfällen ausgehen, sehr viele Kinder würden leiden, wenn sie ihre Eltern über Monate oder Jahre hinweg nicht sehen.

Grüne kritisieren "gefährliche Schwarz-Weiß-Malerei"

"Irritierend" ist für den Grünen Justizsprecher Albert Steinhauser die Vorgangsweise der Ministerin: Bandion-Ortner habe einen Entwurf präsentiert, bevor die Arbeitsgruppe fertig war oder es überhaupt Gespräche mit dem Koalitionspartner gegeben habe. Weiters warf er der Ministerin vor, in "gefährliche Schwarz-Weiß-Malerei" zu verfallen - "was haben Ihnen die Alleinerzieherinnen angetan?" Es gebe Besuchsrechtsverweigerungen von Mütterseite, aber auch Väter, die kein Interesse am Kontakt zum Kind hätten. Man brauche keine neue "Law-and-Order"-Familienpolitik, Gemeinsamkeit könne man nicht verordnen, sondern nur erarbeiten, deshalb brauche es Schlichtungsstellen.

BZÖ attackiert Frauenhäuser

Das BZÖ tritt für die automatische gemeinsame Obsorge nach Scheidungen ein. Kinder würden oft als Druckmasse eingesetzt, und das nehme zu. Der BZÖ-Abgeordnete Ewald Stadler nahm sogar die Justizministerin in Schutz, Bandion-Ortner verdiene Unterstützung, denn sie schlage sich auf die Kinderseite. Angegriffen wurden von Stadler hingegen Grüne und SPÖ. Stadler übte u.a. auch Kritik, dass in Frauenhäusern Frauen Unterschlupf finden würden, die Vätern die Kinder vorenthalten. Dass die Frauenhäuser angegriffen werden, sei "schon sehr bezeichnend", meinte daraufhin SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim - "schämen Sie sich wirklich dafür".

Ministerinnen reden übers Thema

Anders als beim Thema selbst konnten sich Justizministerin und Frauenministerin jetzt zumindest auf einen Termin einigen, an dem sie zu einem Gespräch über Reformen im Familienrecht treffen. Am 24. März ist es soweit.

Bandion-Ortner hatte bereits vergangene Woche einen Entwurf für ihre Pläne im Zusammenhang mit dem Familienrecht vorgelegt - zwischen den Ministerinnen gab es aber bisher kein Gespräch darüber. Auf die Frage, warum das Treffen nicht früher stattfindet, hieß es aus dem Justizministerium: Man habe auf einen Termin gedrängt, früher sei es aber offenbar nicht möglich gewesen. (APA)