In der öffentlichen Wahrnehmung herrscht kein Zweifel darüber, dass Inflation ein bekämpfenswertes Übel ist. Was soll es auch schon Gutes an sich haben, wenn das Geld in der eigenen Brieftasche weniger wert wird? So eindeutig ist das Bild für die meisten Volkswirte aber nicht. Im Gegenteil, viele Ökonomen können der Inflation sogar positive Aspekte abgewinnen. Was sind die Vorteile, wenn Benzin, Möbel und Computer teurer werden?

Zunächst einmal, stehen Arbeitslosigkeit und Inflation in einem Spannungsverhältnis. Nachgewiesen hat das als erster der neuseeländische Volkswirt William Phillips. In einem 1958 publizierten Artikel zeigte Phillips, dass in Großbritannien Zeiten hoher Inflation stets mit einer niedrigen Arbeitslosigkeit verbunden waren und umgekehrt. Spätere Studien kamen in den USA zum selben Ergebnis.

Inzwischen gilt es als Konsens, dass höhere Inflation den Arbeitsmarkt zumindest kurzfristig beleben kann, Ökonomen beschreiben den Effekt mit der sogenannten Phillips-Kurve.

Dafür gibt es mehrere Erklärungen. Steigen die Preise, sinken die Reallöhne. Firmen können also mehr Menschen einstellen. Damit steigt der Konsum an, was die Wirtschaft weiter antreibt und die Arbeitslosigkeit weiter absenkt. Als Reaktion auf die höhere Inflation, verlangen Gewerkschaften zudem höhere, wodurch der Kaufkraftverlust kompensiert wird.

Eine höhere Inflationsrate macht auf Investitionen in die Realwirtschaft interessanter. Denn sind die Zinsen (so wie derzeit) niedrig, frisst die Geldentwertung Finanzvermögen auf.

Freilich, gilt diese Theorie nur begrenzt. "Eine galoppierende Inflation wie in der Zwischenkriegszeit, mit Raten weit jenseits der 100 Prozent, nützt niemandem", meint die österreichische Ökonomin Brigitte Unger. Moderate Teuerungsraten können das Wachstum dagegen durchaus befeuern, wie sich auch am Beispiel Österreichs zeigt. Zwischen 1970 und 1975 lag die Arbeitslosigkeit unter einem Prozent, die Inflation aber jenseits der sechs Prozent.

Inflation ist aber auch unter dem Aspekt gesellschaftlicher Umverteilung interessant. Weil Teuerung Geld entwertet, nützt sie dem Schuldner und schadet dem Gläubiger. Ärmere Bevölkerungsschichten sind meist höher verschuldet, profitieren also.

Demgegenüber steht, dass viele Leistungen (Arbeitslosenhilfe, Pflegegeld) nicht automatisch mit der Inflation ansteigen.

Das Grundprinzip der Umverteilungswirkung machen sich auch Staaten nutzbar, indem sie versuchen ihre Schulden wegzuinflationieren. Sogar der Internationale Währungsfonds (IWF) findet an dem Gedanken gefallen. IWF-Chefökonom Olivier Blanchard schlug 2010 vor, die Inflationsziele der Europäischen Zentralbank von zwei auf vier Prozent anzuheben um so eine Atempause in der Schuldenkrise zu schaffen. (szi, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1.3.2011)