Brüssel - Nach tagelangen Gesprächen, Erörterungen und Abwägungen hat sich die EU am Montag an den USA und den Vereinten Nationen letztlich ein Beispiel genommen und ebenfalls Sanktionen gegen das Regime des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi beschlossen. Zu den Maßnahmen zählen ein Waffenembargo und ein EU-Einreiseverbot für vorerst 16 Personen des Gaddafi-Clans. Außerdem wird das Vermögen des Machthabers und fünf weiterer Mitglieder seiner Familie in der EU eingefroren.

Ebenfalls betroffen sind die Konten von 25 weiteren Libyern, die für Gewaltakte gegen die Demonstranten verantwortlich gemacht werden. Zudem gibt es ein Embargo für Güter, die potenziell zur Unterdrückung der Bevölkerung eingesetzt werden können.

Wie der Sprecher von Außenminister Michael Spindelegger, Alexander Schallenberg, dem Standard erklärte, werde es "noch zwei, drei Tage dauern, bis sie als Verordnung publiziert werden und dann unmittelbare Gültigkeit erlangen können".

In diesem Zusammenhang soll dann auch eine Namensliste an die Oesterreichische Nationalbank übermittelt werden. Eine eigene OeNB-Verordnung - wie im Falle des tunesischen Ex-Präsidenten Zine El-Abidine Ben Ali vor einem Monat - wird es laut Nationalbank im aktuellen Fall wohl nicht geben, denn die damaligen Sanktionen erfolgten auf nationaler Ebene, die EU zog nach.

Bereits Ende vergangener Woche hatten die USA Sanktionen verhängt. Die Vereinten Nationen beschlossen wenig später auch eine entsprechende Resolution. Gaddafi hatte sie in einem Interviews als "wertlos" bezeichnet.

Georgieva in "großer Sorge"

Sehr besorgt zeigte sich in Brüssel die für humanitäre Hilfe und Krisenschutz verantwortliche EU-Kommissarin Kristalina Georgieva: "Die Situation in Libyen verändert sich mit jeder Stunde, sie wird verheerende Auswirkungen auf die Lebensmittelpreise der umliegenden Länder haben." Drei Millionen Euro wurden vergangenen Freitag als Soforthilfe für medizinische Versorgung und Lebensmittel bewilligt. "Das ist die maximale Summe, die ich als Soforthilfe freigeben darf, aber es wird viel mehr Hilfe benötigt werden."

Kommissionspräsident José Manuel Barroso solle nun schnell entscheiden, wohin und in welcher Höhe weitere Unterstützung nach Libyen fließen soll. Rasches Handeln sei nötig, die Angst vor einem Bürgerkrieg sei groß. "Wir beten für das Beste und bereiten uns auf das Schlimmste vor."

Unmittelbar nach dem Sanktionsbeschluss forderte Frankreich ein EU-Gipfeltreffen zu Libyen. Es solle bereits am Donnerstag stattfinden, sagte ein Diplomat. Ein anderer bestätigte die französischen Bemühungen um ein Treffen, einige große EU-Staaten seien aber dagegen. (gian, juh, APA, STANDARD-Printausgabe, 01.03.2011)